Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

"erfreut, daß ein glücklicher Zufall ihm diesen vor¬
"nehmen Gefangenen in die Hände gespielt, entschlos¬
"sen, allen Vortheil daraus zu ziehen, der nur mög¬
"lich, schlug er mich Aermsten in Ketten und so be¬
"gann eine quaalvolle Gefangenschaft, aus der ich
"durch Euch, Herr Peregrinus Tyß, erst gestern Vor¬
"mittags befreit wurde. -- Mein Besitz gab dem fa¬
"talen Leuwenhöck volle Macht über meine Vasallen,
"die er bald schaarenweise um sich her versammelte
"und mit barbarischer Härte eine sogenannte Cultur
"einführte, die uns bald um alle Freiheit, um allen
"Genuß des Lebens brachte. Was die Schulstudien
"und überhaupt die Wissenschaften und Künste be¬
"trifft, so fand Leuwenhöck gar bald zu seinem Er¬
"staunen und Aerger, daß wir beinahe gelehrter wa¬
"ren, als er selbst; die höhere Cultur die er uns
"aufzwang, bestand aber vorzüglich darin, daß wir
"durchaus was werden, wenigstens was vorstellen
"mußten. Eben dieses Was werden, dieses Was vor¬
"stellen, führte eine Menge Bedürfnisse herbei, die
"wir sonst gar nicht gekannt hatten und die wir nun
"im Schweiß unseres Angesichts erringen mußten.
"Zu Staatsmännern, Kriegsleuten, Professoren und
"was weiß ich Alles, schuf uns der grausame Leu¬
"wenhöck um. Diese mußten einhertreten in der

»erfreut, daß ein glücklicher Zufall ihm dieſen vor¬
»nehmen Gefangenen in die Hände geſpielt, entſchloſ¬
»ſen, allen Vortheil daraus zu ziehen, der nur mög¬
»lich, ſchlug er mich Aermſten in Ketten und ſo be¬
»gann eine quaalvolle Gefangenſchaft, aus der ich
»durch Euch, Herr Peregrinus Tyß, erſt geſtern Vor¬
»mittags befreit wurde. — Mein Beſitz gab dem fa¬
»talen Leuwenhöck volle Macht über meine Vaſallen,
»die er bald ſchaarenweiſe um ſich her verſammelte
»und mit barbariſcher Härte eine ſogenannte Cultur
»einführte, die uns bald um alle Freiheit, um allen
»Genuß des Lebens brachte. Was die Schulſtudien
»und überhaupt die Wiſſenſchaften und Künſte be¬
»trifft, ſo fand Leuwenhöck gar bald zu ſeinem Er¬
»ſtaunen und Aerger, daß wir beinahe gelehrter wa¬
»ren, als er ſelbſt; die höhere Cultur die er uns
»aufzwang, beſtand aber vorzüglich darin, daß wir
»durchaus was werden, wenigſtens was vorſtellen
»mußten. Eben dieſes Was werden, dieſes Was vor¬
»ſtellen, führte eine Menge Bedürfniſſe herbei, die
»wir ſonſt gar nicht gekannt hatten und die wir nun
»im Schweiß unſeres Angeſichts erringen mußten.
»Zu Staatsmännern, Kriegsleuten, Profeſſoren und
»was weiß ich Alles, ſchuf uns der grauſame Leu¬
»wenhöck um. Dieſe mußten einhertreten in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="92"/>
»erfreut, daß ein glücklicher Zufall ihm die&#x017F;en vor¬<lb/>
»nehmen Gefangenen in die Hände ge&#x017F;pielt, ent&#x017F;chlo&#x017F;¬<lb/>
»&#x017F;en, allen Vortheil daraus zu ziehen, der nur mög¬<lb/>
»lich, &#x017F;chlug er mich Aerm&#x017F;ten in Ketten und &#x017F;o be¬<lb/>
»gann eine quaalvolle Gefangen&#x017F;chaft, aus der ich<lb/>
»durch Euch, Herr Peregrinus Tyß, er&#x017F;t ge&#x017F;tern Vor¬<lb/>
»mittags befreit wurde. &#x2014; Mein Be&#x017F;itz gab dem fa¬<lb/>
»talen Leuwenhöck volle Macht über meine Va&#x017F;allen,<lb/>
»die er bald &#x017F;chaarenwei&#x017F;e um &#x017F;ich her ver&#x017F;ammelte<lb/>
»und mit barbari&#x017F;cher Härte eine &#x017F;ogenannte Cultur<lb/>
»einführte, die uns bald um alle Freiheit, um allen<lb/>
»Genuß des Lebens brachte. Was die Schul&#x017F;tudien<lb/>
»und überhaupt die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und Kün&#x017F;te be¬<lb/>
»trifft, &#x017F;o fand Leuwenhöck gar bald zu &#x017F;einem Er¬<lb/>
»&#x017F;taunen und Aerger, daß wir beinahe gelehrter wa¬<lb/>
»ren, als er &#x017F;elb&#x017F;t; die höhere Cultur die er uns<lb/>
»aufzwang, be&#x017F;tand aber vorzüglich darin, daß wir<lb/>
»durchaus was werden, wenig&#x017F;tens was vor&#x017F;tellen<lb/>
»mußten. Eben die&#x017F;es Was werden, die&#x017F;es Was vor¬<lb/>
»&#x017F;tellen, führte eine Menge Bedürfni&#x017F;&#x017F;e herbei, die<lb/>
»wir &#x017F;on&#x017F;t gar nicht gekannt hatten und die wir nun<lb/>
»im Schweiß un&#x017F;eres Ange&#x017F;ichts erringen mußten.<lb/>
»Zu Staatsmännern, Kriegsleuten, Profe&#x017F;&#x017F;oren und<lb/>
»was weiß ich Alles, &#x017F;chuf uns der grau&#x017F;ame Leu¬<lb/>
»wenhöck um. Die&#x017F;e mußten einhertreten in der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0097] »erfreut, daß ein glücklicher Zufall ihm dieſen vor¬ »nehmen Gefangenen in die Hände geſpielt, entſchloſ¬ »ſen, allen Vortheil daraus zu ziehen, der nur mög¬ »lich, ſchlug er mich Aermſten in Ketten und ſo be¬ »gann eine quaalvolle Gefangenſchaft, aus der ich »durch Euch, Herr Peregrinus Tyß, erſt geſtern Vor¬ »mittags befreit wurde. — Mein Beſitz gab dem fa¬ »talen Leuwenhöck volle Macht über meine Vaſallen, »die er bald ſchaarenweiſe um ſich her verſammelte »und mit barbariſcher Härte eine ſogenannte Cultur »einführte, die uns bald um alle Freiheit, um allen »Genuß des Lebens brachte. Was die Schulſtudien »und überhaupt die Wiſſenſchaften und Künſte be¬ »trifft, ſo fand Leuwenhöck gar bald zu ſeinem Er¬ »ſtaunen und Aerger, daß wir beinahe gelehrter wa¬ »ren, als er ſelbſt; die höhere Cultur die er uns »aufzwang, beſtand aber vorzüglich darin, daß wir »durchaus was werden, wenigſtens was vorſtellen »mußten. Eben dieſes Was werden, dieſes Was vor¬ »ſtellen, führte eine Menge Bedürfniſſe herbei, die »wir ſonſt gar nicht gekannt hatten und die wir nun »im Schweiß unſeres Angeſichts erringen mußten. »Zu Staatsmännern, Kriegsleuten, Profeſſoren und »was weiß ich Alles, ſchuf uns der grauſame Leu¬ »wenhöck um. Dieſe mußten einhertreten in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/97
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/97>, abgerufen am 24.11.2024.