Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

"Umschweife will ich es Euch denn nun entdecken,
"daß ich, der ich hier mit Euch spreche, ohne daß
"Ihr mich gewahrt, kein anderer bin, als der Mei¬
"ster Floh. -- Daß Ihr mein Volk kennet, daran
"will ich nicht im mindesten zweifeln, denn gewiß
"habt Ihr, würdiger Herr! schon so manchen von
"meinem Volk mit Euerm eignen Blut erfrischt und
"gestärkt. Bekannt muß es darum Euch wenigstens
"wohl seyn, daß mein Volk von einem beinahe un¬
"zähmbaren Freiheitssinn beseelt ist und recht eigentlich
"aus lauter leichtsinnigen Springinsfelden besteht, die
"geneigt sind, sich jeder soliden Gestaltung zu entzie¬
"hen durch fortwährendes Hüpfen. Was für ein Ta¬
"lent dazu gehört, von einem solchen Volk Meister
"zu seyn, werdet Ihr einsehen, Herr Peregrinus,
"und schon deßhalb die gehörige Ehrfurcht vor mir
"haben. Versichert mir das, Herr Peregrinus, ehe
"ich weiter rede." --

Einige Augenblicke hindurch war es dem Herrn
Peregrinus Tyß, als drehe sich in seinem Kopf ein
großes Mühlrad von brausenden Wellen getrieben.
Dann wurde er aber ruhiger und es wollte ihn bedün¬
ken, daß die Erscheinung der fremden Dame bei dem
Buchbinder Lämmerhirt eben so wunderbar, als das
was sich jetzt begebe, und dieß vielleicht eben nur die

»Umſchweife will ich es Euch denn nun entdecken,
»daß ich, der ich hier mit Euch ſpreche, ohne daß
»Ihr mich gewahrt, kein anderer bin, als der Mei¬
»ſter Floh. — Daß Ihr mein Volk kennet, daran
»will ich nicht im mindeſten zweifeln, denn gewiß
»habt Ihr, würdiger Herr! ſchon ſo manchen von
»meinem Volk mit Euerm eignen Blut erfriſcht und
»geſtärkt. Bekannt muß es darum Euch wenigſtens
»wohl ſeyn, daß mein Volk von einem beinahe un¬
»zähmbaren Freiheitsſinn beſeelt iſt und recht eigentlich
»aus lauter leichtſinnigen Springinsfelden beſteht, die
»geneigt ſind, ſich jeder ſoliden Geſtaltung zu entzie¬
»hen durch fortwährendes Hüpfen. Was für ein Ta¬
»lent dazu gehört, von einem ſolchen Volk Meiſter
»zu ſeyn, werdet Ihr einſehen, Herr Peregrinus,
»und ſchon deßhalb die gehörige Ehrfurcht vor mir
»haben. Verſichert mir das, Herr Peregrinus, ehe
»ich weiter rede.» —

Einige Augenblicke hindurch war es dem Herrn
Peregrinus Tyß, als drehe ſich in ſeinem Kopf ein
großes Mühlrad von brauſenden Wellen getrieben.
Dann wurde er aber ruhiger und es wollte ihn bedün¬
ken, daß die Erſcheinung der fremden Dame bei dem
Buchbinder Lämmerhirt eben ſo wunderbar, als das
was ſich jetzt begebe, und dieß vielleicht eben nur die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="87"/>
»Um&#x017F;chweife will ich es Euch denn nun entdecken,<lb/>
»daß ich, der ich hier mit Euch &#x017F;preche, ohne daß<lb/>
»Ihr mich gewahrt, kein anderer bin, als der Mei¬<lb/>
»&#x017F;ter Floh. &#x2014; Daß Ihr mein Volk kennet, daran<lb/>
»will ich nicht im minde&#x017F;ten zweifeln, denn gewiß<lb/>
»habt Ihr, würdiger Herr! &#x017F;chon &#x017F;o manchen von<lb/>
»meinem Volk mit Euerm eignen Blut erfri&#x017F;cht und<lb/>
»ge&#x017F;tärkt. Bekannt muß es darum Euch wenig&#x017F;tens<lb/>
»wohl &#x017F;eyn, daß mein Volk von einem beinahe un¬<lb/>
»zähmbaren Freiheits&#x017F;inn be&#x017F;eelt i&#x017F;t und recht eigentlich<lb/>
»aus lauter leicht&#x017F;innigen Springinsfelden be&#x017F;teht, die<lb/>
»geneigt &#x017F;ind, &#x017F;ich jeder &#x017F;oliden Ge&#x017F;taltung zu entzie¬<lb/>
»hen durch fortwährendes Hüpfen. Was für ein Ta¬<lb/>
»lent dazu gehört, von einem &#x017F;olchen Volk Mei&#x017F;ter<lb/>
»zu &#x017F;eyn, werdet Ihr ein&#x017F;ehen, Herr Peregrinus,<lb/>
»und &#x017F;chon deßhalb die gehörige Ehrfurcht vor mir<lb/>
»haben. Ver&#x017F;ichert mir das, Herr Peregrinus, ehe<lb/>
»ich weiter rede.» &#x2014;</p><lb/>
          <p>Einige Augenblicke hindurch war es dem Herrn<lb/>
Peregrinus Tyß, als drehe &#x017F;ich in &#x017F;einem Kopf ein<lb/>
großes Mühlrad von brau&#x017F;enden Wellen getrieben.<lb/>
Dann wurde er aber ruhiger und es wollte ihn bedün¬<lb/>
ken, daß die Er&#x017F;cheinung der fremden Dame bei dem<lb/>
Buchbinder Lämmerhirt eben &#x017F;o wunderbar, als das<lb/>
was &#x017F;ich jetzt begebe, und dieß vielleicht eben nur die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0092] »Umſchweife will ich es Euch denn nun entdecken, »daß ich, der ich hier mit Euch ſpreche, ohne daß »Ihr mich gewahrt, kein anderer bin, als der Mei¬ »ſter Floh. — Daß Ihr mein Volk kennet, daran »will ich nicht im mindeſten zweifeln, denn gewiß »habt Ihr, würdiger Herr! ſchon ſo manchen von »meinem Volk mit Euerm eignen Blut erfriſcht und »geſtärkt. Bekannt muß es darum Euch wenigſtens »wohl ſeyn, daß mein Volk von einem beinahe un¬ »zähmbaren Freiheitsſinn beſeelt iſt und recht eigentlich »aus lauter leichtſinnigen Springinsfelden beſteht, die »geneigt ſind, ſich jeder ſoliden Geſtaltung zu entzie¬ »hen durch fortwährendes Hüpfen. Was für ein Ta¬ »lent dazu gehört, von einem ſolchen Volk Meiſter »zu ſeyn, werdet Ihr einſehen, Herr Peregrinus, »und ſchon deßhalb die gehörige Ehrfurcht vor mir »haben. Verſichert mir das, Herr Peregrinus, ehe »ich weiter rede.» — Einige Augenblicke hindurch war es dem Herrn Peregrinus Tyß, als drehe ſich in ſeinem Kopf ein großes Mühlrad von brauſenden Wellen getrieben. Dann wurde er aber ruhiger und es wollte ihn bedün¬ ken, daß die Erſcheinung der fremden Dame bei dem Buchbinder Lämmerhirt eben ſo wunderbar, als das was ſich jetzt begebe, und dieß vielleicht eben nur die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/92
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/92>, abgerufen am 24.11.2024.