nichts anders seyn mag, als die Ironie eines Seyns, welches dem jetzigen vorausging.
"Aber mein Himmel, Sie scheinen ja stumm, mein Herr!" So sprach die Kleine indem sie mit den niedlichsten Fingerchen Georgs Brust berührte. Doch aus den Spitzen dieser Finger fuhr ein elektrischer Stral dem Georg bis ins Herz hinein, und er er¬ wachte aus seiner Betäubung. In voller Exstase er¬ griff er die Hand der Kleinen, bedeckte sie mit glühen¬ den Küßen und rief: "Himmlisches, göttliches We¬ sen" -- u. s. w. Der geneigte Leser wird wohl sich denken können, was Herr Georg Pepusch in diesem Augenblick noch alles gerufen. --
Es genügt zu sagen, daß die Kleine Georgs Lie¬ besbetheurungen so aufnahm, wie er es nur wünschen konnte, und daß die verhängnißvolle Minute im Win¬ kel des Leuwenhöck'schen Saals ein Liebesverhältniß gebahr, das den guten Herrn Georg Pepusch erst in den Himmel, dann aber der Abwechselung wegen in die Hölle versetzte. War nämlich Pepusch melancho¬ lischen Temperaments und dabei mürrisch und argwöh¬ nisch, so konnt' es nicht fehlen, daß Dörtje's Betra¬ gen ihm Anlaß gab zu mancher Eifersüchtelei. Gerade diese Eifersüchtelei reizte aber Dörtje's etwas schalki¬ schen Humor und es war ihre Lust, den armen Herrn
nichts anders ſeyn mag, als die Ironie eines Seyns, welches dem jetzigen vorausging.
»Aber mein Himmel, Sie ſcheinen ja ſtumm, mein Herr!» So ſprach die Kleine indem ſie mit den niedlichſten Fingerchen Georgs Bruſt berührte. Doch aus den Spitzen dieſer Finger fuhr ein elektriſcher Stral dem Georg bis ins Herz hinein, und er er¬ wachte aus ſeiner Betäubung. In voller Exſtaſe er¬ griff er die Hand der Kleinen, bedeckte ſie mit glühen¬ den Küßen und rief: »Himmliſches, göttliches We¬ ſen» — u. ſ. w. Der geneigte Leſer wird wohl ſich denken können, was Herr Georg Pepuſch in dieſem Augenblick noch alles gerufen. —
Es genügt zu ſagen, daß die Kleine Georgs Lie¬ besbetheurungen ſo aufnahm, wie er es nur wünſchen konnte, und daß die verhängnißvolle Minute im Win¬ kel des Leuwenhöck'ſchen Saals ein Liebesverhältniß gebahr, das den guten Herrn Georg Pepuſch erſt in den Himmel, dann aber der Abwechſelung wegen in die Hölle verſetzte. War nämlich Pepuſch melancho¬ liſchen Temperaments und dabei mürriſch und argwöh¬ niſch, ſo konnt' es nicht fehlen, daß Dörtje's Betra¬ gen ihm Anlaß gab zu mancher Eiferſüchtelei. Gerade dieſe Eiferſüchtelei reizte aber Dörtje's etwas ſchalki¬ ſchen Humor und es war ihre Luſt, den armen Herrn
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nichts anders ſeyn mag, als die Ironie eines Seyns,
welches dem jetzigen vorausging.
»Aber mein Himmel, Sie ſcheinen ja ſtumm,
mein Herr!» So ſprach die Kleine indem ſie mit den
niedlichſten Fingerchen Georgs Bruſt berührte. Doch
aus den Spitzen dieſer Finger fuhr ein elektriſcher
Stral dem Georg bis ins Herz hinein, und er er¬
wachte aus ſeiner Betäubung. In voller Exſtaſe er¬
griff er die Hand der Kleinen, bedeckte ſie mit glühen¬
den Küßen und rief: »Himmliſches, göttliches We¬
ſen» — u. ſ. w. Der geneigte Leſer wird wohl ſich
denken können, was Herr Georg Pepuſch in dieſem
Augenblick noch alles gerufen. —
Es genügt zu ſagen, daß die Kleine Georgs Lie¬
besbetheurungen ſo aufnahm, wie er es nur wünſchen
konnte, und daß die verhängnißvolle Minute im Win¬
kel des Leuwenhöck'ſchen Saals ein Liebesverhältniß
gebahr, das den guten Herrn Georg Pepuſch erſt in
den Himmel, dann aber der Abwechſelung wegen in
die Hölle verſetzte. War nämlich Pepuſch melancho¬
liſchen Temperaments und dabei mürriſch und argwöh¬
niſch, ſo konnt' es nicht fehlen, daß Dörtje's Betra¬
gen ihm Anlaß gab zu mancher Eiferſüchtelei. Gerade
dieſe Eiferſüchtelei reizte aber Dörtje's etwas ſchalki¬
ſchen Humor und es war ihre Luſt, den armen Herrn
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/81>, abgerufen am 16.02.2025.
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