die Stirn brannte, fröstelte es ihm durch alle Glie¬ der, als läg' er im stärksten Fieber. Wollte das nun auch nichts anders bedeuten, als daß Herr Pe¬ pusch in die Holländerin bis über den Kopf verliebt war, so gab es doch noch eine andere Ursache des durch¬ aus verwirrten Zustandes, der ihm alle Sprache, ja beinahe alle Besinnung raubte. So wie nämlich Dörtje Elverdink davon sprach, daß sie glaube, vor langer Zeit ihn schon gekannt zu haben, war es ihm, als würde in seinem Innern wie in einer Laterna ma¬ gica plötzlich ein anderes Bild vorgeschoben und er er¬ blickte ein weit entferntes Sonst, das lange zurückliege hinter der Zeit als er zum ersten Mal Muttermilch gekostet, und in dem er selbst doch eben so gut als Dörtje Elverdink sich rege und bewege. Genug! -- der Gedanke, der sich eben durch vieles Denken erst recht klar und fest gestaltete, blitzte in diesem Augen¬ blick auf und dieser Gedanke war nichts geringeres als daß Dörtje Elverdink die Prinzessin Gamaheh, Toch¬ ter des Königs Sekakis sey, die er schon in der grü¬ nen Zeit geliebt, da er noch die Distel Zeherit gewe¬ sen. Gut war es, daß er diesen Gedanken andern Leuten nicht sonderlich mittheilte; man hätte ihn sonst vielleicht für wahnsinnig gehalten und eingesperrt, wie¬ wohl die fixe Idee eines Partiell-Wahnsinnigen oft
die Stirn brannte, fröſtelte es ihm durch alle Glie¬ der, als läg' er im ſtärkſten Fieber. Wollte das nun auch nichts anders bedeuten, als daß Herr Pe¬ puſch in die Holländerin bis über den Kopf verliebt war, ſo gab es doch noch eine andere Urſache des durch¬ aus verwirrten Zuſtandes, der ihm alle Sprache, ja beinahe alle Beſinnung raubte. So wie nämlich Dörtje Elverdink davon ſprach, daß ſie glaube, vor langer Zeit ihn ſchon gekannt zu haben, war es ihm, als würde in ſeinem Innern wie in einer Laterna ma¬ gica plötzlich ein anderes Bild vorgeſchoben und er er¬ blickte ein weit entferntes Sonſt, das lange zurückliege hinter der Zeit als er zum erſten Mal Muttermilch gekoſtet, und in dem er ſelbſt doch eben ſo gut als Dörtje Elverdink ſich rege und bewege. Genug! — der Gedanke, der ſich eben durch vieles Denken erſt recht klar und feſt geſtaltete, blitzte in dieſem Augen¬ blick auf und dieſer Gedanke war nichts geringeres als daß Dörtje Elverdink die Prinzeſſin Gamaheh, Toch¬ ter des Königs Sekakis ſey, die er ſchon in der grü¬ nen Zeit geliebt, da er noch die Diſtel Zeherit gewe¬ ſen. Gut war es, daß er dieſen Gedanken andern Leuten nicht ſonderlich mittheilte; man hätte ihn ſonſt vielleicht für wahnſinnig gehalten und eingeſperrt, wie¬ wohl die fixe Idee eines Partiell-Wahnſinnigen oft
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0080"n="75"/>
die Stirn brannte, fröſtelte es ihm durch alle Glie¬<lb/>
der, als läg' er im ſtärkſten Fieber. Wollte das<lb/>
nun auch nichts anders bedeuten, als daß Herr Pe¬<lb/>
puſch in die Holländerin bis über den Kopf verliebt<lb/>
war, ſo gab es doch noch eine andere Urſache des durch¬<lb/>
aus verwirrten Zuſtandes, der ihm alle Sprache, ja<lb/>
beinahe alle Beſinnung raubte. So wie nämlich<lb/>
Dörtje Elverdink davon ſprach, daß ſie glaube, vor<lb/>
langer Zeit ihn ſchon gekannt zu haben, war es ihm,<lb/>
als würde in ſeinem Innern wie in einer Laterna ma¬<lb/>
gica plötzlich ein anderes Bild vorgeſchoben und er er¬<lb/>
blickte ein weit entferntes Sonſt, das lange zurückliege<lb/>
hinter der Zeit als er zum erſten Mal Muttermilch<lb/>
gekoſtet, und in dem er ſelbſt doch eben ſo gut als<lb/>
Dörtje Elverdink ſich rege und bewege. Genug! —<lb/>
der Gedanke, der ſich eben durch vieles Denken erſt<lb/>
recht klar und feſt geſtaltete, blitzte in dieſem Augen¬<lb/>
blick auf und dieſer Gedanke war nichts geringeres als<lb/>
daß Dörtje Elverdink die Prinzeſſin Gamaheh, Toch¬<lb/>
ter des Königs Sekakis ſey, die er ſchon in der grü¬<lb/>
nen Zeit geliebt, da er noch die Diſtel Zeherit gewe¬<lb/>ſen. Gut war es, daß er dieſen Gedanken andern<lb/>
Leuten nicht ſonderlich mittheilte; man hätte ihn ſonſt<lb/>
vielleicht für wahnſinnig gehalten und eingeſperrt, wie¬<lb/>
wohl die fixe Idee eines Partiell-Wahnſinnigen oft<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[75/0080]
die Stirn brannte, fröſtelte es ihm durch alle Glie¬
der, als läg' er im ſtärkſten Fieber. Wollte das
nun auch nichts anders bedeuten, als daß Herr Pe¬
puſch in die Holländerin bis über den Kopf verliebt
war, ſo gab es doch noch eine andere Urſache des durch¬
aus verwirrten Zuſtandes, der ihm alle Sprache, ja
beinahe alle Beſinnung raubte. So wie nämlich
Dörtje Elverdink davon ſprach, daß ſie glaube, vor
langer Zeit ihn ſchon gekannt zu haben, war es ihm,
als würde in ſeinem Innern wie in einer Laterna ma¬
gica plötzlich ein anderes Bild vorgeſchoben und er er¬
blickte ein weit entferntes Sonſt, das lange zurückliege
hinter der Zeit als er zum erſten Mal Muttermilch
gekoſtet, und in dem er ſelbſt doch eben ſo gut als
Dörtje Elverdink ſich rege und bewege. Genug! —
der Gedanke, der ſich eben durch vieles Denken erſt
recht klar und feſt geſtaltete, blitzte in dieſem Augen¬
blick auf und dieſer Gedanke war nichts geringeres als
daß Dörtje Elverdink die Prinzeſſin Gamaheh, Toch¬
ter des Königs Sekakis ſey, die er ſchon in der grü¬
nen Zeit geliebt, da er noch die Diſtel Zeherit gewe¬
ſen. Gut war es, daß er dieſen Gedanken andern
Leuten nicht ſonderlich mittheilte; man hätte ihn ſonſt
vielleicht für wahnſinnig gehalten und eingeſperrt, wie¬
wohl die fixe Idee eines Partiell-Wahnſinnigen oft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/80>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.