Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.weibliches Wesen alles zu entzücken vermag, so nannte Zu der Zeit kam George Pepusch nach Berlin, Leu¬ weibliches Weſen alles zu entzücken vermag, ſo nannte Zu der Zeit kam George Pepuſch nach Berlin, Leu¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0074" n="69"/> weibliches Weſen alles zu entzücken vermag, ſo nannte<lb/> man die Holländerin »Aline.»</p><lb/> <p>Zu der Zeit kam George Pepuſch nach Berlin, Leu¬<lb/> wenhöcks ſchöne Nichte war das Geſpräch des Tages, und<lb/> ſo wurde auch an der Wirthstafel des Hotels, in dem<lb/> Pepuſch ſich einlogiert, beinahe von nichts anderm ge¬<lb/> ſprochen als von dem kleinen reizenden Wunder, das<lb/> alle Männer, jung und alt, ja ſelbſt die Weiber ent¬<lb/> zücke. Man drang in Pepuſch, ſich nur gleich auf die<lb/> höchſte Spitze alles jetzigen Treibens in Berlin zu ſtel¬<lb/> len und die ſchöne Holländerin zu ſehen. — Pepuſch<lb/> hatte ein reizbares melancholiſches Temperament; in<lb/> jedem Genuß ſpürte er zu ſehr den bittern Beige¬<lb/> ſchmack, der freilich aus dem ſchwarzen ſtygiſchen Bäch¬<lb/> lein kommt, das durch unſer ganzes Leben rinnt und<lb/> das machte ihn finſter, in ſich gekehrt, ja oft unge¬<lb/> recht gegen Alles, was ihn umgab. Man kann den¬<lb/> ken, daß auf dieſe Weiſe Pepuſch wenig aufgelegt<lb/> war, hübſchen Mädchen nachzulaufen, er ging aber<lb/> dennoch zu dem Flohbändiger, mehr um ſeine vorge¬<lb/> faßte Meinung, daß auch hier, wie ſo oft im Leben,<lb/> nur ein ſeltſamer Wahn ſpuke, bewährt zu ſehen,<lb/> als des gefährlichen Wunders halber. Er fand die Hol¬<lb/> länderin gar hübſch, anmuthig, angenehm, indem er ſie<lb/> aber betrachtete, mußte er ſelbſtgefällig ſeine Sagazität<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0074]
weibliches Weſen alles zu entzücken vermag, ſo nannte
man die Holländerin »Aline.»
Zu der Zeit kam George Pepuſch nach Berlin, Leu¬
wenhöcks ſchöne Nichte war das Geſpräch des Tages, und
ſo wurde auch an der Wirthstafel des Hotels, in dem
Pepuſch ſich einlogiert, beinahe von nichts anderm ge¬
ſprochen als von dem kleinen reizenden Wunder, das
alle Männer, jung und alt, ja ſelbſt die Weiber ent¬
zücke. Man drang in Pepuſch, ſich nur gleich auf die
höchſte Spitze alles jetzigen Treibens in Berlin zu ſtel¬
len und die ſchöne Holländerin zu ſehen. — Pepuſch
hatte ein reizbares melancholiſches Temperament; in
jedem Genuß ſpürte er zu ſehr den bittern Beige¬
ſchmack, der freilich aus dem ſchwarzen ſtygiſchen Bäch¬
lein kommt, das durch unſer ganzes Leben rinnt und
das machte ihn finſter, in ſich gekehrt, ja oft unge¬
recht gegen Alles, was ihn umgab. Man kann den¬
ken, daß auf dieſe Weiſe Pepuſch wenig aufgelegt
war, hübſchen Mädchen nachzulaufen, er ging aber
dennoch zu dem Flohbändiger, mehr um ſeine vorge¬
faßte Meinung, daß auch hier, wie ſo oft im Leben,
nur ein ſeltſamer Wahn ſpuke, bewährt zu ſehen,
als des gefährlichen Wunders halber. Er fand die Hol¬
länderin gar hübſch, anmuthig, angenehm, indem er ſie
aber betrachtete, mußte er ſelbſtgefällig ſeine Sagazität
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