"Manche behaupten und nicht ohne Grund, daß die "Prinzessin in Famagusta sich verbergen sollte, vor "dem widerlichen Egelprinzen, dem geschwornen Feinde "der Blumenkönigin."
"Genug! -- in Famagusta begab es sich, daß "die Prinzessin einst in der erfrischenden Kühle des "Abends lustwandelte und in ein dunkles anmuthiges "Cypressen-Wäldchen gerieth. Verlockt von dem "lieblichen Säuseln des Abendwindes, dem Mur¬ "meln des Bachs, dem melodischen Gezwitscher der "Vögel, streckte die Prinzessin sich hin in das weiche "duftige Moos und fiel bald in tiefen Schlaf. Gerade "der Feind, dem sie hatte entgehen wollen, der "häßliche Egelprinz streckte aber sein Haupt empor "aus dem Schlammwasser, erblickte die Prinzessin, "und verliebte sich in die schöne Schläferin dermaßen, "daß er dem Verlangen sie zu küssen, nicht widerste¬ "hen konnte. Leise kroch er heran, und küßte sie hin¬ "ter das linke Ohr. Nun wißt Ihr aber wohl Freund "Pepusch, daß die Dame, die der Egelprinz zu küs¬ "sen sich unterfängt, verloren, denn er ist der ärgste "Blutsauger von der Welt. So geschah es denn auch, "daß der Egelprinz die arme Prinzessin so lange küßte, "bis alles Leben aus ihr geflohen war. Da fiel er "ganz übersättigt und trunken ins Moos und mußte
»Manche behaupten und nicht ohne Grund, daß die »Prinzeſſin in Famaguſta ſich verbergen ſollte, vor »dem widerlichen Egelprinzen, dem geſchwornen Feinde »der Blumenkönigin.»
»Genug! — in Famaguſta begab es ſich, daß »die Prinzeſſin einſt in der erfriſchenden Kühle des »Abends luſtwandelte und in ein dunkles anmuthiges »Cypreſſen-Wäldchen gerieth. Verlockt von dem »lieblichen Säuſeln des Abendwindes, dem Mur¬ »meln des Bachs, dem melodiſchen Gezwitſcher der »Vögel, ſtreckte die Prinzeſſin ſich hin in das weiche »duftige Moos und fiel bald in tiefen Schlaf. Gerade »der Feind, dem ſie hatte entgehen wollen, der »häßliche Egelprinz ſtreckte aber ſein Haupt empor »aus dem Schlammwaſſer, erblickte die Prinzeſſin, »und verliebte ſich in die ſchöne Schläferin dermaßen, »daß er dem Verlangen ſie zu küſſen, nicht widerſte¬ »hen konnte. Leiſe kroch er heran, und küßte ſie hin¬ »ter das linke Ohr. Nun wißt Ihr aber wohl Freund »Pepuſch, daß die Dame, die der Egelprinz zu küſ¬ »ſen ſich unterfängt, verloren, denn er iſt der ärgſte »Blutſauger von der Welt. So geſchah es denn auch, »daß der Egelprinz die arme Prinzeſſin ſo lange küßte, »bis alles Leben aus ihr geflohen war. Da fiel er »ganz überſättigt und trunken ins Moos und mußte
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»Manche behaupten und nicht ohne Grund, daß die
»Prinzeſſin in Famaguſta ſich verbergen ſollte, vor
»dem widerlichen Egelprinzen, dem geſchwornen Feinde
»der Blumenkönigin.»
»Genug! — in Famaguſta begab es ſich, daß
»die Prinzeſſin einſt in der erfriſchenden Kühle des
»Abends luſtwandelte und in ein dunkles anmuthiges
»Cypreſſen-Wäldchen gerieth. Verlockt von dem
»lieblichen Säuſeln des Abendwindes, dem Mur¬
»meln des Bachs, dem melodiſchen Gezwitſcher der
»Vögel, ſtreckte die Prinzeſſin ſich hin in das weiche
»duftige Moos und fiel bald in tiefen Schlaf. Gerade
»der Feind, dem ſie hatte entgehen wollen, der
»häßliche Egelprinz ſtreckte aber ſein Haupt empor
»aus dem Schlammwaſſer, erblickte die Prinzeſſin,
»und verliebte ſich in die ſchöne Schläferin dermaßen,
»daß er dem Verlangen ſie zu küſſen, nicht widerſte¬
»hen konnte. Leiſe kroch er heran, und küßte ſie hin¬
»ter das linke Ohr. Nun wißt Ihr aber wohl Freund
»Pepuſch, daß die Dame, die der Egelprinz zu küſ¬
»ſen ſich unterfängt, verloren, denn er iſt der ärgſte
»Blutſauger von der Welt. So geſchah es denn auch,
»daß der Egelprinz die arme Prinzeſſin ſo lange küßte,
»bis alles Leben aus ihr geflohen war. Da fiel er
»ganz überſättigt und trunken ins Moos und mußte
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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