Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

streckte, "ey lieber Peregrin, hier, hier in diesem
Hause, ich bin ja deine Aline, ich wohne ja bei dir!
Laß nur schnell das Haus öffnen.

"Nein! nimmermehr," schrie Peregrinus ent¬
setzt, indem er die Dame hinabsinken ließ. "Wie,"
rief diese, "wie Peregrin, du willst mich verstoßen,
und kennst doch mein fürchterliches Verhängniß und
weißt doch daß ich Kind des Unglücks kein Obdach
habe, daß ich elendiglich hier umkommen muß, wenn
du mich nicht aufnimmst bei dir wie sonst! -- Doch
du willst vielleicht, daß ich sterbe -- so geschehe es
denn! -- Trage mich wenigstens an den Springbrun¬
nen, damit man meine Leiche nicht vor deinem Hause
finde -- ha -- jene steinernen Delphine haben viel¬
leicht mehr Erbarmen als du. -- Weh mir -- weh
mir -- die Kälte." -- Die Dame sank ohnmächtig
nieder, da faßte Herzensangst und Verzweiflung wie
eine Eiszange Peregrins Brust und quetschte sie zu¬
sammen. Wild schrie er: "Mag es nun werden wie
es will, ich kann nicht anders!" hob die Leblose auf,
nahm sie in seine Arme und zog stark an der Glocke.
Schnell rannte Peregrin bei dem Hausknecht vorüber,
der die Thüre geöffnet und rief schon auf der Treppe,
statt daß er sonst erst oben ganz leise anzupochen pflegte:

ſtreckte, »ey lieber Peregrin, hier, hier in dieſem
Hauſe, ich bin ja deine Aline, ich wohne ja bei dir!
Laß nur ſchnell das Haus öffnen.

»Nein! nimmermehr,» ſchrie Peregrinus ent¬
ſetzt, indem er die Dame hinabſinken ließ. »Wie,»
rief dieſe, »wie Peregrin, du willſt mich verſtoßen,
und kennſt doch mein fürchterliches Verhängniß und
weißt doch daß ich Kind des Unglücks kein Obdach
habe, daß ich elendiglich hier umkommen muß, wenn
du mich nicht aufnimmſt bei dir wie ſonſt! — Doch
du willſt vielleicht, daß ich ſterbe — ſo geſchehe es
denn! — Trage mich wenigſtens an den Springbrun¬
nen, damit man meine Leiche nicht vor deinem Hauſe
finde — ha — jene ſteinernen Delphine haben viel¬
leicht mehr Erbarmen als du. — Weh mir — weh
mir — die Kälte.» — Die Dame ſank ohnmächtig
nieder, da faßte Herzensangſt und Verzweiflung wie
eine Eiszange Peregrins Bruſt und quetſchte ſie zu¬
ſammen. Wild ſchrie er: »Mag es nun werden wie
es will, ich kann nicht anders!» hob die Lebloſe auf,
nahm ſie in ſeine Arme und zog ſtark an der Glocke.
Schnell rannte Peregrin bei dem Hausknecht vorüber,
der die Thüre geöffnet und rief ſchon auf der Treppe,
ſtatt daß er ſonſt erſt oben ganz leiſe anzupochen pflegte:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0045" n="40"/>
&#x017F;treckte, »ey lieber Peregrin, hier, hier in die&#x017F;em<lb/>
Hau&#x017F;e, ich bin ja deine Aline, ich wohne ja bei dir!<lb/>
Laß nur &#x017F;chnell das Haus öffnen.</p><lb/>
            <p>»Nein! nimmermehr,» &#x017F;chrie Peregrinus ent¬<lb/>
&#x017F;etzt, indem er die Dame hinab&#x017F;inken ließ. »Wie,»<lb/>
rief die&#x017F;e, »wie Peregrin, du will&#x017F;t mich ver&#x017F;toßen,<lb/>
und kenn&#x017F;t doch mein fürchterliches Verhängniß und<lb/>
weißt doch daß ich Kind des Unglücks kein Obdach<lb/>
habe, daß ich elendiglich hier umkommen muß, wenn<lb/>
du mich nicht aufnimm&#x017F;t bei dir wie &#x017F;on&#x017F;t! &#x2014; Doch<lb/>
du will&#x017F;t vielleicht, daß ich &#x017F;terbe &#x2014; &#x017F;o ge&#x017F;chehe es<lb/>
denn! &#x2014; Trage mich wenig&#x017F;tens an den Springbrun¬<lb/>
nen, damit man meine Leiche nicht vor deinem Hau&#x017F;e<lb/>
finde &#x2014; ha &#x2014; jene &#x017F;teinernen Delphine haben viel¬<lb/>
leicht mehr Erbarmen als du. &#x2014; Weh mir &#x2014; weh<lb/>
mir &#x2014; die Kälte.» &#x2014; Die Dame &#x017F;ank ohnmächtig<lb/>
nieder, da faßte Herzensang&#x017F;t und Verzweiflung wie<lb/>
eine Eiszange Peregrins Bru&#x017F;t und quet&#x017F;chte &#x017F;ie zu¬<lb/>
&#x017F;ammen. Wild &#x017F;chrie er: »Mag es nun werden wie<lb/>
es will, ich kann nicht anders!» hob die Leblo&#x017F;e auf,<lb/>
nahm &#x017F;ie in &#x017F;eine Arme und zog &#x017F;tark an der Glocke.<lb/>
Schnell rannte Peregrin bei dem Hausknecht vorüber,<lb/>
der die Thüre geöffnet und rief &#x017F;chon auf der Treppe,<lb/>
&#x017F;tatt daß er &#x017F;on&#x017F;t er&#x017F;t oben ganz lei&#x017F;e anzupochen pflegte:<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0045] ſtreckte, »ey lieber Peregrin, hier, hier in dieſem Hauſe, ich bin ja deine Aline, ich wohne ja bei dir! Laß nur ſchnell das Haus öffnen. »Nein! nimmermehr,» ſchrie Peregrinus ent¬ ſetzt, indem er die Dame hinabſinken ließ. »Wie,» rief dieſe, »wie Peregrin, du willſt mich verſtoßen, und kennſt doch mein fürchterliches Verhängniß und weißt doch daß ich Kind des Unglücks kein Obdach habe, daß ich elendiglich hier umkommen muß, wenn du mich nicht aufnimmſt bei dir wie ſonſt! — Doch du willſt vielleicht, daß ich ſterbe — ſo geſchehe es denn! — Trage mich wenigſtens an den Springbrun¬ nen, damit man meine Leiche nicht vor deinem Hauſe finde — ha — jene ſteinernen Delphine haben viel¬ leicht mehr Erbarmen als du. — Weh mir — weh mir — die Kälte.» — Die Dame ſank ohnmächtig nieder, da faßte Herzensangſt und Verzweiflung wie eine Eiszange Peregrins Bruſt und quetſchte ſie zu¬ ſammen. Wild ſchrie er: »Mag es nun werden wie es will, ich kann nicht anders!» hob die Lebloſe auf, nahm ſie in ſeine Arme und zog ſtark an der Glocke. Schnell rannte Peregrin bei dem Hausknecht vorüber, der die Thüre geöffnet und rief ſchon auf der Treppe, ſtatt daß er ſonſt erſt oben ganz leiſe anzupochen pflegte:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/45
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/45>, abgerufen am 21.11.2024.