Damit holte die fremde Dame aus demselben Körbchen, in dem sich die Spielsachen befunden hat¬ ten, eine hölzerne Schachtel hervor und gab sie dem Peregrin in die Hände. Es war die Hirsch- und wilde Schweinsjagd, die er auf dem Weihnachtstische vermißt. Schwer möcht' es fallen, die seltsamen Ge¬ fühle zu beschreiben, die in Peregrins Innerm sich durchkreuzten.
Hatte die ganze Erscheinung der fremden Dame, aller Anmuth und Lieblichkeit unerachtet, dennoch etwas spukhaftes, das auch andern, die die Nähe eines Frauenzimmers nicht so gescheut, als Peregrin, recht durch alle Glieder fröstelnd empfunden haben würden, so mußte ja dem armen, schon genug ge¬ ängsteten Peregrin ein tiefes Grauen anwandeln, als er gewahrte, daß die Dame von all' dem, was er in der tiefsten Einsamkeit begonnen, auf das genaueste unterrichtet war. Und mitten in diesem Grauen wollte sich, wenn er die Augen aufschlug und der siegende Blick der schönsten schwarzen Augen, unter den langen seidenen Wimpern hervorleuchtete, wenn er des holden Wesens süßen Athem, die elektrische Wärme ihres Kör¬ pers fühlte -- doch wollte sich dann in wunderbaren Schauern das namenlose Weh eines unaussprechlichen Verlangens regen, das er noch nicht gekannt! Dann
Damit holte die fremde Dame aus demſelben Körbchen, in dem ſich die Spielſachen befunden hat¬ ten, eine hölzerne Schachtel hervor und gab ſie dem Peregrin in die Hände. Es war die Hirſch- und wilde Schweinsjagd, die er auf dem Weihnachtstiſche vermißt. Schwer möcht' es fallen, die ſeltſamen Ge¬ fühle zu beſchreiben, die in Peregrins Innerm ſich durchkreuzten.
Hatte die ganze Erſcheinung der fremden Dame, aller Anmuth und Lieblichkeit unerachtet, dennoch etwas ſpukhaftes, das auch andern, die die Nähe eines Frauenzimmers nicht ſo geſcheut, als Peregrin, recht durch alle Glieder fröſtelnd empfunden haben würden, ſo mußte ja dem armen, ſchon genug ge¬ ängſteten Peregrin ein tiefes Grauen anwandeln, als er gewahrte, daß die Dame von all' dem, was er in der tiefſten Einſamkeit begonnen, auf das genaueſte unterrichtet war. Und mitten in dieſem Grauen wollte ſich, wenn er die Augen aufſchlug und der ſiegende Blick der ſchönſten ſchwarzen Augen, unter den langen ſeidenen Wimpern hervorleuchtete, wenn er des holden Weſens ſüßen Athem, die elektriſche Wärme ihres Kör¬ pers fühlte — doch wollte ſich dann in wunderbaren Schauern das namenloſe Weh eines unausſprechlichen Verlangens regen, das er noch nicht gekannt! Dann
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Damit holte die fremde Dame aus demſelben
Körbchen, in dem ſich die Spielſachen befunden hat¬
ten, eine hölzerne Schachtel hervor und gab ſie dem
Peregrin in die Hände. Es war die Hirſch- und
wilde Schweinsjagd, die er auf dem Weihnachtstiſche
vermißt. Schwer möcht' es fallen, die ſeltſamen Ge¬
fühle zu beſchreiben, die in Peregrins Innerm ſich
durchkreuzten.
Hatte die ganze Erſcheinung der fremden Dame,
aller Anmuth und Lieblichkeit unerachtet, dennoch
etwas ſpukhaftes, das auch andern, die die Nähe
eines Frauenzimmers nicht ſo geſcheut, als Peregrin,
recht durch alle Glieder fröſtelnd empfunden haben
würden, ſo mußte ja dem armen, ſchon genug ge¬
ängſteten Peregrin ein tiefes Grauen anwandeln, als
er gewahrte, daß die Dame von all' dem, was er in
der tiefſten Einſamkeit begonnen, auf das genaueſte
unterrichtet war. Und mitten in dieſem Grauen wollte
ſich, wenn er die Augen aufſchlug und der ſiegende
Blick der ſchönſten ſchwarzen Augen, unter den langen
ſeidenen Wimpern hervorleuchtete, wenn er des holden
Weſens ſüßen Athem, die elektriſche Wärme ihres Kör¬
pers fühlte — doch wollte ſich dann in wunderbaren
Schauern das namenloſe Weh eines unausſprechlichen
Verlangens regen, das er noch nicht gekannt! Dann
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/39>, abgerufen am 22.12.2024.
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