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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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lößte sich auf in das mildere Gefühl verübter, jedoch
wohl zu sühnender Unbill.

War er zuvor, was seine Gesichtszüge betrifft,
dem trostlosen Sünder zu vergleichen, über den das
Verdammungsurtheil unwiderruflich ausgesprochen,
so sah er jetzt nur noch ein wenig einfältig aus. Sol¬
ches Aussehen ist aber bei derlei Umständen jedesmal
ein gutes Prognostikon.

Als nun beide, Röschen und Herr Peregrinus
Tyß, zusammen, auf besagtem gebrechlichem Kanapee
des ehrsamen Buchbindermeisters Lämmerhirt saßen,
begann Röschen mit niedergeschlagenen Augen und
halb verschämtem Lächeln: ich mag wohl errathen,
mein Geliebter, was dein Gemüth so plötzlich be¬
stürmt. Gestehen will ich es dir, man hat mir al¬
lerlei Wunderliches von den seltsamen Bewohnern dei¬
nes Hauses erzählt. Die Nachbarinnen, -- nun du
weißt, wie Nachbarinnen sind, die schwatzen und
schwatzen gar gern, und wissen oft nicht selbst einmal
was; -- ja diese bösen Nachbarinnen haben mir er¬
zählt, in deinem Hause sey ein gar wunderbares
Frauenzimmer, die manche gar für eine Prinzessin
hielten, und die du selbst, in der Christnacht, in dein
Haus getragen. Der alte Herr Swammer habe sie
freilich als seine entflohene Nichte bei sich aufgenom¬

lößte ſich auf in das mildere Gefühl verübter, jedoch
wohl zu ſühnender Unbill.

War er zuvor, was ſeine Geſichtszüge betrifft,
dem troſtloſen Sünder zu vergleichen, über den das
Verdammungsurtheil unwiderruflich ausgeſprochen,
ſo ſah er jetzt nur noch ein wenig einfältig aus. Sol¬
ches Ausſehen iſt aber bei derlei Umſtänden jedesmal
ein gutes Prognoſtikon.

Als nun beide, Röschen und Herr Peregrinus
Tyß, zuſammen, auf beſagtem gebrechlichem Kanapee
des ehrſamen Buchbindermeiſters Lämmerhirt ſaßen,
begann Röschen mit niedergeſchlagenen Augen und
halb verſchämtem Lächeln: ich mag wohl errathen,
mein Geliebter, was dein Gemüth ſo plötzlich be¬
ſtürmt. Geſtehen will ich es dir, man hat mir al¬
lerlei Wunderliches von den ſeltſamen Bewohnern dei¬
nes Hauſes erzählt. Die Nachbarinnen, — nun du
weißt, wie Nachbarinnen ſind, die ſchwatzen und
ſchwatzen gar gern, und wiſſen oft nicht ſelbſt einmal
was; — ja dieſe böſen Nachbarinnen haben mir er¬
zählt, in deinem Hauſe ſey ein gar wunderbares
Frauenzimmer, die manche gar für eine Prinzeſſin
hielten, und die du ſelbſt, in der Chriſtnacht, in dein
Haus getragen. Der alte Herr Swammer habe ſie
freilich als ſeine entflohene Nichte bei ſich aufgenom¬

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[244/0249] lößte ſich auf in das mildere Gefühl verübter, jedoch wohl zu ſühnender Unbill. War er zuvor, was ſeine Geſichtszüge betrifft, dem troſtloſen Sünder zu vergleichen, über den das Verdammungsurtheil unwiderruflich ausgeſprochen, ſo ſah er jetzt nur noch ein wenig einfältig aus. Sol¬ ches Ausſehen iſt aber bei derlei Umſtänden jedesmal ein gutes Prognoſtikon. Als nun beide, Röschen und Herr Peregrinus Tyß, zuſammen, auf beſagtem gebrechlichem Kanapee des ehrſamen Buchbindermeiſters Lämmerhirt ſaßen, begann Röschen mit niedergeſchlagenen Augen und halb verſchämtem Lächeln: ich mag wohl errathen, mein Geliebter, was dein Gemüth ſo plötzlich be¬ ſtürmt. Geſtehen will ich es dir, man hat mir al¬ lerlei Wunderliches von den ſeltſamen Bewohnern dei¬ nes Hauſes erzählt. Die Nachbarinnen, — nun du weißt, wie Nachbarinnen ſind, die ſchwatzen und ſchwatzen gar gern, und wiſſen oft nicht ſelbſt einmal was; — ja dieſe böſen Nachbarinnen haben mir er¬ zählt, in deinem Hauſe ſey ein gar wunderbares Frauenzimmer, die manche gar für eine Prinzeſſin hielten, und die du ſelbſt, in der Chriſtnacht, in dein Haus getragen. Der alte Herr Swammer habe ſie freilich als ſeine entflohene Nichte bei ſich aufgenom¬

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/249>, abgerufen am 28.11.2024.