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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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auf die Lippe nehmend, als genöße er himmlisches
Manna.

"Der ist nunmehro auch übergeschnappt!" sagte
ein vorübergehender Bürger. Es war dem Mann
nicht zu verdenken, daß er dergleichen von Peregrinus
dachte. --

Als Herr Peregrinus Tyß ins Haus trat, kam
ihm die alte Aline entgegen und winkte mit Gebehr¬
den, die Angst und Besorgniß ausdrückten, nach dem
Zimmer des Herrn Swammerdamm. Die Thüre
stand offen und Peregrinus gewahrte Dörtje Elver¬
dink, die erstarrt auf einem Lehnstuhl saß und deren
zusammengeschrumpftes Gesicht einer Leiche zu gehö¬
ren schien, die bereits im Grabe gelegen. Eben so
erstarrt, eben so leichenähnlich saßen vor ihr auf Lehn¬
stühlen, Pepusch, Swammerdamm und Leuwenhöck.
"Ist das," sprach die Alte, "ist das eine tolle ge¬
spenstische Wirthschaft hier unten! So sitzen die drei
unseligen Menschen schon den ganzen lieben Tag über,
und essen nichts und trinken nichts und reden nichts
und holen kaum Athem!" --

Dem Peregrinus wollte zwar, ob des in der
That etwas schauerlichen Anblicks halber, einiges Ent¬
setzen, anwandeln, indessen wurde, indem er die Treppe
hinaufstieg, das gespenstische Bild von dem wogenden

auf die Lippe nehmend, als genöße er himmliſches
Manna.

»Der iſt nunmehro auch übergeſchnappt!» ſagte
ein vorübergehender Bürger. Es war dem Mann
nicht zu verdenken, daß er dergleichen von Peregrinus
dachte. —

Als Herr Peregrinus Tyß ins Haus trat, kam
ihm die alte Aline entgegen und winkte mit Gebehr¬
den, die Angſt und Beſorgniß ausdrückten, nach dem
Zimmer des Herrn Swammerdamm. Die Thüre
ſtand offen und Peregrinus gewahrte Dörtje Elver¬
dink, die erſtarrt auf einem Lehnſtuhl ſaß und deren
zuſammengeſchrumpftes Geſicht einer Leiche zu gehö¬
ren ſchien, die bereits im Grabe gelegen. Eben ſo
erſtarrt, eben ſo leichenähnlich ſaßen vor ihr auf Lehn¬
ſtühlen, Pepuſch, Swammerdamm und Leuwenhöck.
»Iſt das,» ſprach die Alte, »iſt das eine tolle ge¬
ſpenſtiſche Wirthſchaft hier unten! So ſitzen die drei
unſeligen Menſchen ſchon den ganzen lieben Tag über,
und eſſen nichts und trinken nichts und reden nichts
und holen kaum Athem!» —

Dem Peregrinus wollte zwar, ob des in der
That etwas ſchauerlichen Anblicks halber, einiges Ent¬
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[237/0242] auf die Lippe nehmend, als genöße er himmliſches Manna. »Der iſt nunmehro auch übergeſchnappt!» ſagte ein vorübergehender Bürger. Es war dem Mann nicht zu verdenken, daß er dergleichen von Peregrinus dachte. — Als Herr Peregrinus Tyß ins Haus trat, kam ihm die alte Aline entgegen und winkte mit Gebehr¬ den, die Angſt und Beſorgniß ausdrückten, nach dem Zimmer des Herrn Swammerdamm. Die Thüre ſtand offen und Peregrinus gewahrte Dörtje Elver¬ dink, die erſtarrt auf einem Lehnſtuhl ſaß und deren zuſammengeſchrumpftes Geſicht einer Leiche zu gehö¬ ren ſchien, die bereits im Grabe gelegen. Eben ſo erſtarrt, eben ſo leichenähnlich ſaßen vor ihr auf Lehn¬ ſtühlen, Pepuſch, Swammerdamm und Leuwenhöck. »Iſt das,» ſprach die Alte, »iſt das eine tolle ge¬ ſpenſtiſche Wirthſchaft hier unten! So ſitzen die drei unſeligen Menſchen ſchon den ganzen lieben Tag über, und eſſen nichts und trinken nichts und reden nichts und holen kaum Athem!» — Dem Peregrinus wollte zwar, ob des in der That etwas ſchauerlichen Anblicks halber, einiges Ent¬ ſetzen, anwandeln, indeſſen wurde, indem er die Treppe hinaufſtieg, das geſpenſtiſche Bild von dem wogenden

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/242>, abgerufen am 27.11.2024.