ins Ohr, daß auf dem Tische am Fenster, sein (des Peregrinus) Horoskop liege. Peregrinus näherte sich behutsam und blickte scharf hin. Da sah er nun zwar allerlei Linien, die sich mystisch durchkreuzten und an¬ dere wunderbare Zeichen; da es ihm indessen an astro¬ logischer Kenntniß gänzlich mangelte, so konnte er so scharf hinblicken, als er nur wollte, alles blieb ihm doch undeutlich und verworren. Seltsam schien es ihm nur, daß er den rothen glänzenden Punkt in der Mitte der Tafel, auf der das Horoskop entworfen, ganz deutlich für sein Selbst anerkennen mußte. Je länger er den Punkt anschaute, desto mehr gewann er die Gestalt eines Herzens, desto brennender röthete er sich; doch funkelte er nur wie durch Gespinnst, womit er umzogen.
Peregrinus merkte wohl, wie Leuwenhöck sich mühte, ihn von dem Horoskop abzuziehen und beschloß ganz vernünftig, seinen freundlichen Feind, ohne alle weitere Umschweife geradezu um die Bedeutung der geheimnißvollen Tafel zu befragen, da er nicht Gefahr laufe, belogen zu werden.
Leuwenhöck versicherte, hämisch lächelnd, daß ihm nichts größere Freude verursachen könne, als sei¬ nem hochverehrtesten Freunde die Zeichen auf der Ta¬
ins Ohr, daß auf dem Tiſche am Fenſter, ſein (des Peregrinus) Horoskop liege. Peregrinus näherte ſich behutſam und blickte ſcharf hin. Da ſah er nun zwar allerlei Linien, die ſich myſtiſch durchkreuzten und an¬ dere wunderbare Zeichen; da es ihm indeſſen an aſtro¬ logiſcher Kenntniß gänzlich mangelte, ſo konnte er ſo ſcharf hinblicken, als er nur wollte, alles blieb ihm doch undeutlich und verworren. Seltſam ſchien es ihm nur, daß er den rothen glänzenden Punkt in der Mitte der Tafel, auf der das Horoskop entworfen, ganz deutlich für ſein Selbſt anerkennen mußte. Je länger er den Punkt anſchaute, deſto mehr gewann er die Geſtalt eines Herzens, deſto brennender röthete er ſich; doch funkelte er nur wie durch Geſpinnſt, womit er umzogen.
Peregrinus merkte wohl, wie Leuwenhöck ſich mühte, ihn von dem Horoſkop abzuziehen und beſchloß ganz vernünftig, ſeinen freundlichen Feind, ohne alle weitere Umſchweife geradezu um die Bedeutung der geheimnißvollen Tafel zu befragen, da er nicht Gefahr laufe, belogen zu werden.
Leuwenhöck verſicherte, hämiſch lächelnd, daß ihm nichts größere Freude verurſachen könne, als ſei¬ nem hochverehrteſten Freunde die Zeichen auf der Ta¬
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ins Ohr, daß auf dem Tiſche am Fenſter, ſein (des
Peregrinus) Horoskop liege. Peregrinus näherte ſich
behutſam und blickte ſcharf hin. Da ſah er nun zwar
allerlei Linien, die ſich myſtiſch durchkreuzten und an¬
dere wunderbare Zeichen; da es ihm indeſſen an aſtro¬
logiſcher Kenntniß gänzlich mangelte, ſo konnte er
ſo ſcharf hinblicken, als er nur wollte, alles blieb ihm
doch undeutlich und verworren. Seltſam ſchien es
ihm nur, daß er den rothen glänzenden Punkt in der
Mitte der Tafel, auf der das Horoskop entworfen,
ganz deutlich für ſein Selbſt anerkennen mußte. Je
länger er den Punkt anſchaute, deſto mehr gewann
er die Geſtalt eines Herzens, deſto brennender röthete
er ſich; doch funkelte er nur wie durch Geſpinnſt,
womit er umzogen.
Peregrinus merkte wohl, wie Leuwenhöck ſich
mühte, ihn von dem Horoſkop abzuziehen und beſchloß
ganz vernünftig, ſeinen freundlichen Feind, ohne alle
weitere Umſchweife geradezu um die Bedeutung der
geheimnißvollen Tafel zu befragen, da er nicht Gefahr
laufe, belogen zu werden.
Leuwenhöck verſicherte, hämiſch lächelnd, daß
ihm nichts größere Freude verurſachen könne, als ſei¬
nem hochverehrteſten Freunde die Zeichen auf der Ta¬
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/195>, abgerufen am 17.02.2025.
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