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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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Sache, die längst beschlossen, seinen Rath verlange,
und das kitzelt ihn! -- "Ich vertraue Ihnen ganz!" --
Ich weiß ja längst, daß er ein Spitzbube ist u. s. w.
Endlich darf auch noch bemerkt werden, daß manche
Leute doch den Peregrinus mit seinen mikroskopischen
Betrachtungen in große Verlegenheit setzten. Das
waren nämlich die jungen Männer, die über alles
in den höchsten Enthusiasmus gerathen und sich in
einen brausenden Strom der prächtigsten Redensarten
ergießen konnten. Unter diesen schienen am tiefsten
und herrlichsten junge Dichter zu sprechen, die von
lauter Fantasie und Genialität strotzten und vorzüglich
von Damen viel Anbetung erleiden mußten. Ihnen
reihten sich schriftstellerische Frauen an, die alle Tie¬
fen des Seyns hienieden, so wie alle ächtphilosophi¬
sche, das Innerste durchdringende Ansichten der Ver¬
hältnisse des sozialen Lebens, wie man zu sagen pflegt,
recht am Schnürchen hatten und mit prächtigen Wor¬
ten herzusagen wußten, wie eine Festtagspredigt. --
Kam es dem Peregrinus wunderbar vor, daß die Sil¬
berfaden aus Gamahehs Gehirn herausrankten in ein
unentdeckbares Etwas, so erstaunte er nicht weniger
darüber, was er im Gehirn der erwähnten Leute
wahrnahm. Er sah zwar das seltsame Geflecht von
Adern und Nerven, bemerkte aber zugleich, daß diese

Sache, die längſt beſchloſſen, ſeinen Rath verlange,
und das kitzelt ihn! — »Ich vertraue Ihnen ganz!» —
Ich weiß ja längſt, daß er ein Spitzbube iſt u. ſ. w.
Endlich darf auch noch bemerkt werden, daß manche
Leute doch den Peregrinus mit ſeinen mikroskopiſchen
Betrachtungen in große Verlegenheit ſetzten. Das
waren nämlich die jungen Männer, die über alles
in den höchſten Enthuſiasmus gerathen und ſich in
einen brauſenden Strom der prächtigſten Redensarten
ergießen konnten. Unter dieſen ſchienen am tiefſten
und herrlichſten junge Dichter zu ſprechen, die von
lauter Fantaſie und Genialität ſtrotzten und vorzüglich
von Damen viel Anbetung erleiden mußten. Ihnen
reihten ſich ſchriftſtelleriſche Frauen an, die alle Tie¬
fen des Seyns hienieden, ſo wie alle ächtphiloſophi¬
ſche, das Innerſte durchdringende Anſichten der Ver¬
hältniſſe des ſozialen Lebens, wie man zu ſagen pflegt,
recht am Schnürchen hatten und mit prächtigen Wor¬
ten herzuſagen wußten, wie eine Feſttagspredigt. —
Kam es dem Peregrinus wunderbar vor, daß die Sil¬
berfaden aus Gamahehs Gehirn herausrankten in ein
unentdeckbares Etwas, ſo erſtaunte er nicht weniger
darüber, was er im Gehirn der erwähnten Leute
wahrnahm. Er ſah zwar das ſeltſame Geflecht von
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[151/0156] Sache, die längſt beſchloſſen, ſeinen Rath verlange, und das kitzelt ihn! — »Ich vertraue Ihnen ganz!» — Ich weiß ja längſt, daß er ein Spitzbube iſt u. ſ. w. Endlich darf auch noch bemerkt werden, daß manche Leute doch den Peregrinus mit ſeinen mikroskopiſchen Betrachtungen in große Verlegenheit ſetzten. Das waren nämlich die jungen Männer, die über alles in den höchſten Enthuſiasmus gerathen und ſich in einen brauſenden Strom der prächtigſten Redensarten ergießen konnten. Unter dieſen ſchienen am tiefſten und herrlichſten junge Dichter zu ſprechen, die von lauter Fantaſie und Genialität ſtrotzten und vorzüglich von Damen viel Anbetung erleiden mußten. Ihnen reihten ſich ſchriftſtelleriſche Frauen an, die alle Tie¬ fen des Seyns hienieden, ſo wie alle ächtphiloſophi¬ ſche, das Innerſte durchdringende Anſichten der Ver¬ hältniſſe des ſozialen Lebens, wie man zu ſagen pflegt, recht am Schnürchen hatten und mit prächtigen Wor¬ ten herzuſagen wußten, wie eine Feſttagspredigt. — Kam es dem Peregrinus wunderbar vor, daß die Sil¬ berfaden aus Gamahehs Gehirn herausrankten in ein unentdeckbares Etwas, ſo erſtaunte er nicht weniger darüber, was er im Gehirn der erwähnten Leute wahrnahm. Er ſah zwar das ſeltſame Geflecht von Adern und Nerven, bemerkte aber zugleich, daß dieſe

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/156>, abgerufen am 23.11.2024.