ladung annehmen? Ich habe keinen Groschen Geld und kein Wirth borgt mir mehr.
Zwei sehr zierlich gekleidete junge Mädchen tra¬ ten dem Peregrinus geradezu in den Weg. Es waren Schwestern, weitläuftig mit ihm verwandt.
Ey, rief die Eine lachend, ey, Vetterchen, trifft man Sie einmal? Es ist gar nicht hübsch von Ihnen, daß Sie sich so einsperren, daß Sie sich nicht sehen lassen. Sie glauben nicht, wie Mutterchen Ihnen gut ist, weil Sie solch ein verständiger Mensch sind. Versprechen Sie mir, bald zu kommen. Da! Küssen Sie mir die Hand. -- Die Gedanken lauteten: Wie, was ist das? Was ist mit dem Vetter vorgegangen? Ich wollte ihn recht in Furcht und Angst setzen. Sonst lief er vor mir, vor jedem Frauenzimmer, und jetzt bleibt er stehen und guckt mir so ganz sonderbar ins Auge und küßt mir die Hand ohne alle Scheu! Sollte er in mich verliebt seyn? Das fehlte noch! Die Mutter sagt, er sey etwas dämisch. Was thut's, ich nehme ihn; ein dämischer Mann ist, wenn er reich ist, wie der Vetter, eben der Beste. Die Schwester hatte mit niedergeschlagenen Augen und hochrothen Wangen blos gelispelt: Besuchen Sie uns recht bald, lieber Vetter! -- Die Gedanken lauteten: Der Vetter ist ein recht hübscher Mensch und ich be¬
ladung annehmen? Ich habe keinen Groſchen Geld und kein Wirth borgt mir mehr.
Zwei ſehr zierlich gekleidete junge Mädchen tra¬ ten dem Peregrinus geradezu in den Weg. Es waren Schweſtern, weitläuftig mit ihm verwandt.
Ey, rief die Eine lachend, ey, Vetterchen, trifft man Sie einmal? Es iſt gar nicht hübſch von Ihnen, daß Sie ſich ſo einſperren, daß Sie ſich nicht ſehen laſſen. Sie glauben nicht, wie Mutterchen Ihnen gut iſt, weil Sie ſolch ein verſtändiger Menſch ſind. Verſprechen Sie mir, bald zu kommen. Da! Küſſen Sie mir die Hand. — Die Gedanken lauteten: Wie, was iſt das? Was iſt mit dem Vetter vorgegangen? Ich wollte ihn recht in Furcht und Angſt ſetzen. Sonſt lief er vor mir, vor jedem Frauenzimmer, und jetzt bleibt er ſtehen und guckt mir ſo ganz ſonderbar ins Auge und küßt mir die Hand ohne alle Scheu! Sollte er in mich verliebt ſeyn? Das fehlte noch! Die Mutter ſagt, er ſey etwas dämiſch. Was thut's, ich nehme ihn; ein dämiſcher Mann iſt, wenn er reich iſt, wie der Vetter, eben der Beſte. Die Schweſter hatte mit niedergeſchlagenen Augen und hochrothen Wangen blos geliſpelt: Beſuchen Sie uns recht bald, lieber Vetter! — Die Gedanken lauteten: Der Vetter iſt ein recht hübſcher Menſch und ich be¬
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ladung annehmen? Ich habe keinen Groſchen Geld
und kein Wirth borgt mir mehr.
Zwei ſehr zierlich gekleidete junge Mädchen tra¬
ten dem Peregrinus geradezu in den Weg. Es waren
Schweſtern, weitläuftig mit ihm verwandt.
Ey, rief die Eine lachend, ey, Vetterchen, trifft
man Sie einmal? Es iſt gar nicht hübſch von Ihnen,
daß Sie ſich ſo einſperren, daß Sie ſich nicht ſehen
laſſen. Sie glauben nicht, wie Mutterchen Ihnen
gut iſt, weil Sie ſolch ein verſtändiger Menſch ſind.
Verſprechen Sie mir, bald zu kommen. Da! Küſſen
Sie mir die Hand. — Die Gedanken lauteten: Wie,
was iſt das? Was iſt mit dem Vetter vorgegangen?
Ich wollte ihn recht in Furcht und Angſt ſetzen.
Sonſt lief er vor mir, vor jedem Frauenzimmer, und
jetzt bleibt er ſtehen und guckt mir ſo ganz ſonderbar
ins Auge und küßt mir die Hand ohne alle Scheu!
Sollte er in mich verliebt ſeyn? Das fehlte noch!
Die Mutter ſagt, er ſey etwas dämiſch. Was thut's,
ich nehme ihn; ein dämiſcher Mann iſt, wenn er
reich iſt, wie der Vetter, eben der Beſte. Die
Schweſter hatte mit niedergeſchlagenen Augen und
hochrothen Wangen blos geliſpelt: Beſuchen Sie uns
recht bald, lieber Vetter! — Die Gedanken lauteten:
Der Vetter iſt ein recht hübſcher Menſch und ich be¬
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/137>, abgerufen am 16.07.2024.
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