werden solle, das ganze Kloster zu durchsu¬ chen, um den Mörder Aureliens, der noch im Kloster seyn müsse, aufzufinden. Die Aeb¬ tissin, mit Recht Unordnungen befürchtend, verweigerte dies, aber ihres Ansehens uner¬ achtet vermochte sie nicht die erhitzten Gemü¬ ther zu beschwichtigen. Man warf ihr vor, daß sie aus kleinlicher Furcht den Mörder verhehle, weil er ein Mönch sey, und immer heftiger tobend schien das Volk sich zum Stürmen des Klosters aufzuregen. Da bestieg Leonardus die Kanzel und sagte dem Volk nach einigen kräftigen Worten über die Entweih¬ ung heiliger Stätten, daß der Mörder keines¬ weges ein Mönch, sondern ein Wahnsinni¬ ger sey, den er im Kloster zur Pflege aufge¬ nommen, den er, als er todt geschienen, im Ordenshabit nach der Todtenkammer brin¬ gen lassen, der aber aus dem todtähnlichen Zustande erwacht und entsprungen sey. Wä¬ re er noch im Kloster, so würden es ihm die getroffenen Maaßregeln unmöglich ma¬
werden ſolle, das ganze Kloſter zu durchſu¬ chen, um den Moͤrder Aureliens, der noch im Kloſter ſeyn muͤſſe, aufzufinden. Die Aeb¬ tiſſin, mit Recht Unordnungen befuͤrchtend, verweigerte dies, aber ihres Anſehens uner¬ achtet vermochte ſie nicht die erhitzten Gemuͤ¬ ther zu beſchwichtigen. Man warf ihr vor, daß ſie aus kleinlicher Furcht den Moͤrder verhehle, weil er ein Moͤnch ſey, und immer heftiger tobend ſchien das Volk ſich zum Stuͤrmen des Kloſters aufzuregen. Da beſtieg Leonardus die Kanzel und ſagte dem Volk nach einigen kraͤftigen Worten uͤber die Entweih¬ ung heiliger Staͤtten, daß der Moͤrder keines¬ weges ein Moͤnch, ſondern ein Wahnſinni¬ ger ſey, den er im Kloſter zur Pflege aufge¬ nommen, den er, als er todt geſchienen, im Ordenshabit nach der Todtenkammer brin¬ gen laſſen, der aber aus dem todtaͤhnlichen Zuſtande erwacht und entſprungen ſey. Waͤ¬ re er noch im Kloſter, ſo wuͤrden es ihm die getroffenen Maaßregeln unmoͤglich ma¬
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werden ſolle, das ganze Kloſter zu durchſu¬
chen, um den Moͤrder Aureliens, der noch im
Kloſter ſeyn muͤſſe, aufzufinden. Die Aeb¬
tiſſin, mit Recht Unordnungen befuͤrchtend,
verweigerte dies, aber ihres Anſehens uner¬
achtet vermochte ſie nicht die erhitzten Gemuͤ¬
ther zu beſchwichtigen. Man warf ihr vor,
daß ſie aus kleinlicher Furcht den Moͤrder
verhehle, weil er ein Moͤnch ſey, und immer
heftiger tobend ſchien das Volk ſich zum
Stuͤrmen des Kloſters aufzuregen. Da beſtieg
Leonardus die Kanzel und ſagte dem Volk nach
einigen kraͤftigen Worten uͤber die Entweih¬
ung heiliger Staͤtten, daß der Moͤrder keines¬
weges ein Moͤnch, ſondern ein Wahnſinni¬
ger ſey, den er im Kloſter zur Pflege aufge¬
nommen, den er, als er todt geſchienen, im
Ordenshabit nach der Todtenkammer brin¬
gen laſſen, der aber aus dem todtaͤhnlichen
Zuſtande erwacht und entſprungen ſey. Waͤ¬
re er noch im Kloſter, ſo wuͤrden es ihm
die getroffenen Maaßregeln unmoͤglich ma¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/366>, abgerufen am 23.11.2024.
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