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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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Ihr Gelübde war mein Trost, meine Hoff¬
nung, und hell ging in mir die Heiterkeit des
Himmels auf. Leonardus, den ich nun erst
wieder bemerkte, schien die Aenderung in
meinem Innern wahrzunehmen, denn mit
sanfter Stimme sprach er: "Du hast dem
Feinde widerstanden, mein Sohn! das war
wohl die letzte schwere Prüfung die Dir die
ewige Macht auferlegt!" --

Das Gelübde war gesprochen; während
eines Wechselgesanges den die Klaren Schwe¬
stern anstimmten, wollte man Aurelien das
Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die
Myrthen und Rosen aus dem Haar geflochten,
schon stand man im Begriff die herabwallen¬
den Locken abzuschneiden, als ein Getümmel
in der Kirche entstand -- ich sah, wie die
Menschen aus einander gedrängt und zu Boden
geworfen wurden; -- näher und näher wir¬
belte der Tumult. -- Mit rasender Gebähr¬
de, -- mit wildem, entsetzlichen Blick dräng¬
te sich ein halbnackter Mensch, (die Lumpen

Ihr Geluͤbde war mein Troſt, meine Hoff¬
nung, und hell ging in mir die Heiterkeit des
Himmels auf. Leonardus, den ich nun erſt
wieder bemerkte, ſchien die Aenderung in
meinem Innern wahrzunehmen, denn mit
ſanfter Stimme ſprach er: „Du haſt dem
Feinde widerſtanden, mein Sohn! das war
wohl die letzte ſchwere Pruͤfung die Dir die
ewige Macht auferlegt!“ —

Das Geluͤbde war geſprochen; waͤhrend
eines Wechſelgeſanges den die Klaren Schwe¬
ſtern anſtimmten, wollte man Aurelien das
Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die
Myrthen und Roſen aus dem Haar geflochten,
ſchon ſtand man im Begriff die herabwallen¬
den Locken abzuſchneiden, als ein Getuͤmmel
in der Kirche entſtand — ich ſah, wie die
Menſchen aus einander gedraͤngt und zu Boden
geworfen wurden; — naͤher und naͤher wir¬
belte der Tumult. — Mit raſender Gebaͤhr¬
de, — mit wildem, entſetzlichen Blick draͤng¬
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[350/0358] Ihr Geluͤbde war mein Troſt, meine Hoff¬ nung, und hell ging in mir die Heiterkeit des Himmels auf. Leonardus, den ich nun erſt wieder bemerkte, ſchien die Aenderung in meinem Innern wahrzunehmen, denn mit ſanfter Stimme ſprach er: „Du haſt dem Feinde widerſtanden, mein Sohn! das war wohl die letzte ſchwere Pruͤfung die Dir die ewige Macht auferlegt!“ — Das Geluͤbde war geſprochen; waͤhrend eines Wechſelgeſanges den die Klaren Schwe¬ ſtern anſtimmten, wollte man Aurelien das Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die Myrthen und Roſen aus dem Haar geflochten, ſchon ſtand man im Begriff die herabwallen¬ den Locken abzuſchneiden, als ein Getuͤmmel in der Kirche entſtand — ich ſah, wie die Menſchen aus einander gedraͤngt und zu Boden geworfen wurden; — naͤher und naͤher wir¬ belte der Tumult. — Mit raſender Gebaͤhr¬ de, — mit wildem, entſetzlichen Blick draͤng¬ te ſich ein halbnackter Menſch, (die Lumpen

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/358>, abgerufen am 09.11.2024.