haft zusammen, so daß mein Brevier zur Er¬ de fiel. Ich bückte mich darnach, es aufzu¬ heben, aber ein plötzlicher Schwindel hätte mich von dem hohen Sitz herabgestürzt, wenn Leonardus mich nicht faßte und fest¬ hielt. "Was ist Dir, Medardus, sprach der Prior leise: Du befindest Dich in seltsamer Bewegung, widerstehe dem bösen Feinde der Dich treibt." Ich faßte mich mit aller Gewalt zusammen, ich schaute auf, und er¬ blickte Aurelien, vor dem Hochaltar knieend. O Herr des Himmels, in hoher Schön¬ heit und Anmuth stralte sie mehr als je! Sie war bräutlich -- ach! eben so wie an jenem verhängnißvollen Tage, da sie mein werden sollte, gekleidet. Blühende Myrthen und Rosen im künstlich geflochtenen Haar. Die Andacht, das Feierliche des Moments, hatte ihre Wangen höher gefärbt, und in dem zum Himmel gerichteten Blick lag der volle Ausdruck himmlischer Lust. Was wa¬ ren jene Augenblicke, als ich Aurelien zum
haft zuſammen, ſo daß mein Brevier zur Er¬ de fiel. Ich buͤckte mich darnach, es aufzu¬ heben, aber ein ploͤtzlicher Schwindel haͤtte mich von dem hohen Sitz herabgeſtuͤrzt, wenn Leonardus mich nicht faßte und feſt¬ hielt. „Was iſt Dir, Medardus, ſprach der Prior leiſe: Du befindeſt Dich in ſeltſamer Bewegung, widerſtehe dem boͤſen Feinde der Dich treibt.“ Ich faßte mich mit aller Gewalt zuſammen, ich ſchaute auf, und er¬ blickte Aurelien, vor dem Hochaltar knieend. O Herr des Himmels, in hoher Schoͤn¬ heit und Anmuth ſtralte ſie mehr als je! Sie war braͤutlich — ach! eben ſo wie an jenem verhaͤngnißvollen Tage, da ſie mein werden ſollte, gekleidet. Bluͤhende Myrthen und Roſen im kuͤnſtlich geflochtenen Haar. Die Andacht, das Feierliche des Moments, hatte ihre Wangen hoͤher gefaͤrbt, und in dem zum Himmel gerichteten Blick lag der volle Ausdruck himmliſcher Luſt. Was wa¬ ren jene Augenblicke, als ich Aurelien zum
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haft zuſammen, ſo daß mein Brevier zur Er¬
de fiel. Ich buͤckte mich darnach, es aufzu¬
heben, aber ein ploͤtzlicher Schwindel haͤtte
mich von dem hohen Sitz herabgeſtuͤrzt,
wenn Leonardus mich nicht faßte und feſt¬
hielt. „Was iſt Dir, Medardus, ſprach der
Prior leiſe: Du befindeſt Dich in ſeltſamer
Bewegung, widerſtehe dem boͤſen Feinde
der Dich treibt.“ Ich faßte mich mit aller
Gewalt zuſammen, ich ſchaute auf, und er¬
blickte Aurelien, vor dem Hochaltar knieend.
O Herr des Himmels, in hoher Schoͤn¬
heit und Anmuth ſtralte ſie mehr als je!
Sie war braͤutlich — ach! eben ſo wie an
jenem verhaͤngnißvollen Tage, da ſie mein
werden ſollte, gekleidet. Bluͤhende Myrthen
und Roſen im kuͤnſtlich geflochtenen Haar.
Die Andacht, das Feierliche des Moments,
hatte ihre Wangen hoͤher gefaͤrbt, und in
dem zum Himmel gerichteten Blick lag der
volle Ausdruck himmliſcher Luſt. Was wa¬
ren jene Augenblicke, als ich Aurelien zum
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/355>, abgerufen am 23.11.2024.
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