einzubrechen begann, da sprach der Graf Fi¬ lippo: "Ich kann das Knäblein nicht hülflos liegen lassen, sondern will es mit mir neh¬ men, und daß ich dies gethan, überall be¬ kannt machen lassen, damit es die Eltern, oder sonst einer, der es in die Höhle legte, von mir abfordern kann." Es geschah so; aber Wochen, Monate und Jahre vergingen, ohne daß sich jemand gemeldet hätte. Der Graf hatte dem Fündling in heiliger Taufe den Namen Francesko geben lassen. Der Knabe wuchs heran und wurde an Gestalt und Geist ein wunderbarer Jüngling, den der Graf, seiner seltenen Gaben wegen wie seinen Sohn liebte, und ihm, da er kinder¬ los war, sein ganzes Vermögen zuzuwen¬ den gedachte. Schon fünf und zwanzig Jahre war Francesko alt worden, als der Graf Filippo in thörichter Liebe zu einem armen bildschönen Fräulein entbrannte, und sie hei¬ rathete, unerachtet sie blutjung, er aber schon sehr hoch in Jahren war. Francesko
einzubrechen begann, da ſprach der Graf Fi¬ lippo: „Ich kann das Knaͤblein nicht huͤlflos liegen laſſen, ſondern will es mit mir neh¬ men, und daß ich dies gethan, uͤberall be¬ kannt machen laſſen, damit es die Eltern, oder ſonſt einer, der es in die Hoͤhle legte, von mir abfordern kann.“ Es geſchah ſo; aber Wochen, Monate und Jahre vergingen, ohne daß ſich jemand gemeldet haͤtte. Der Graf hatte dem Fuͤndling in heiliger Taufe den Namen Francesko geben laſſen. Der Knabe wuchs heran und wurde an Geſtalt und Geiſt ein wunderbarer Juͤngling, den der Graf, ſeiner ſeltenen Gaben wegen wie ſeinen Sohn liebte, und ihm, da er kinder¬ los war, ſein ganzes Vermoͤgen zuzuwen¬ den gedachte. Schon fuͤnf und zwanzig Jahre war Francesko alt worden, als der Graf Filippo in thoͤrichter Liebe zu einem armen bildſchoͤnen Fraͤulein entbrannte, und ſie hei¬ rathete, unerachtet ſie blutjung, er aber ſchon ſehr hoch in Jahren war. Francesko
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einzubrechen begann, da ſprach der Graf Fi¬
lippo: „Ich kann das Knaͤblein nicht huͤlflos
liegen laſſen, ſondern will es mit mir neh¬
men, und daß ich dies gethan, uͤberall be¬
kannt machen laſſen, damit es die Eltern,
oder ſonſt einer, der es in die Hoͤhle legte,
von mir abfordern kann.“ Es geſchah ſo;
aber Wochen, Monate und Jahre vergingen,
ohne daß ſich jemand gemeldet haͤtte. Der
Graf hatte dem Fuͤndling in heiliger Taufe
den Namen Francesko geben laſſen. Der
Knabe wuchs heran und wurde an Geſtalt
und Geiſt ein wunderbarer Juͤngling, den
der Graf, ſeiner ſeltenen Gaben wegen wie
ſeinen Sohn liebte, und ihm, da er kinder¬
los war, ſein ganzes Vermoͤgen zuzuwen¬
den gedachte. Schon fuͤnf und zwanzig Jahre
war Francesko alt worden, als der Graf
Filippo in thoͤrichter Liebe zu einem armen
bildſchoͤnen Fraͤulein entbrannte, und ſie hei¬
rathete, unerachtet ſie blutjung, er aber
ſchon ſehr hoch in Jahren war. Francesko
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/240>, abgerufen am 24.11.2024.
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