vertrieb. Wir, ich meine Dich und mich, mein günstiger Leser! wissen aber viel zu we¬ nig deutliches von den Ahnungen und Träu¬ men des Bruders Medardus, als daß wir, ohne zu lesen, was der Mahler aufgeschrie¬ ben, auch nur im mindesten das Band zu¬ sammen zu knüpfen vermöchten, welches die verworren aus einander laufenden Fäden der Geschichte des Medardus, wie in einen Kno¬ ten einigt. Ein besseres Gleichniß übrigens ist es, daß uns der Fokus fehlt, aus dem die verschiedenen bunten Strahlen brachen. Das Manuskript des seligen Capuziners war in altes vergelbtes Pergament eingeschlagen, und Dies Pergament mit kleiner, beinahe un¬ leserlicher Schrift beschrieben, die, da sich darin eine ganz seltsame Hand kund that, meine Neugierde nicht wenig reizte. Nach vieler Mühe gelang es mir, Buchstaben und Worte zu entziffern, und wie erstaunte ich, als es mir klar wurde, daß es jene im Mah¬ lerbuch aufgezeichnete Geschichte sey, von
vertrieb. Wir, ich meine Dich und mich, mein guͤnſtiger Leſer! wiſſen aber viel zu we¬ nig deutliches von den Ahnungen und Traͤu¬ men des Bruders Medardus, als daß wir, ohne zu leſen, was der Mahler aufgeſchrie¬ ben, auch nur im mindeſten das Band zu¬ ſammen zu knuͤpfen vermoͤchten, welches die verworren aus einander laufenden Faͤden der Geſchichte des Medardus, wie in einen Kno¬ ten einigt. Ein beſſeres Gleichniß uͤbrigens iſt es, daß uns der Fokus fehlt, aus dem die verſchiedenen bunten Strahlen brachen. Das Manuſkript des ſeligen Capuziners war in altes vergelbtes Pergament eingeſchlagen, und Dies Pergament mit kleiner, beinahe un¬ leſerlicher Schrift beſchrieben, die, da ſich darin eine ganz ſeltſame Hand kund that, meine Neugierde nicht wenig reizte. Nach vieler Muͤhe gelang es mir, Buchſtaben und Worte zu entziffern, und wie erſtaunte ich, als es mir klar wurde, daß es jene im Mah¬ lerbuch aufgezeichnete Geſchichte ſey, von
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[203/0211]
vertrieb. Wir, ich meine Dich und mich,
mein guͤnſtiger Leſer! wiſſen aber viel zu we¬
nig deutliches von den Ahnungen und Traͤu¬
men des Bruders Medardus, als daß wir,
ohne zu leſen, was der Mahler aufgeſchrie¬
ben, auch nur im mindeſten das Band zu¬
ſammen zu knuͤpfen vermoͤchten, welches die
verworren aus einander laufenden Faͤden der
Geſchichte des Medardus, wie in einen Kno¬
ten einigt. Ein beſſeres Gleichniß uͤbrigens
iſt es, daß uns der Fokus fehlt, aus dem die
verſchiedenen bunten Strahlen brachen. Das
Manuſkript des ſeligen Capuziners war in
altes vergelbtes Pergament eingeſchlagen, und
Dies Pergament mit kleiner, beinahe un¬
leſerlicher Schrift beſchrieben, die, da ſich
darin eine ganz ſeltſame Hand kund that,
meine Neugierde nicht wenig reizte. Nach
vieler Muͤhe gelang es mir, Buchſtaben und
Worte zu entziffern, und wie erſtaunte ich,
als es mir klar wurde, daß es jene im Mah¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/211>, abgerufen am 27.11.2024.
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