meine Schultern, der jugendliche Busen quoll hervor -- sie ächzte dumpf -- ich kannte mich selbst nicht mehr! -- Ich riß sie em¬ por, sie schien erkräftigt, eine fremde Glut brannte in ihrem Auge, feuriger erwiederte sie meine wüthenden Küsse. Da rauschte es hinter uns wie starker, mächtiger Flügel¬ schlag; ein schneidender Ton, wie das Angst¬ geschrei des zum Tode Getroffenen, gellte durch das Zimmer. -- Hermogen! schrie Aurelie, und sank ohnmächtig hin aus meinen Armen. Von wildem Entsetzen erfaßt, rannte ich fort! -- Im Flur trat mir die Fürstin, von einem Spaziergange heimkehrend, entgegen. Sie blickte mich ernst und stolz an, indem sie sprach: "Es ist mir in der That sehr be¬ fremdlich, Sie hier zu sehen, Herr Leon¬ ard!" -- Meine Verstörtheit im Augenblick bemeisternd, antwortete ich in beinahe be¬ stimmterem Ton, als es ziemlich seyn moch¬ te: daß man oft gegen große Anregungen vergebens ankämpfe, und daß oft das un¬
meine Schultern, der jugendliche Buſen quoll hervor — ſie aͤchzte dumpf — ich kannte mich ſelbſt nicht mehr! — Ich riß ſie em¬ por, ſie ſchien erkraͤftigt, eine fremde Glut brannte in ihrem Auge, feuriger erwiederte ſie meine wuͤthenden Kuͤſſe. Da rauſchte es hinter uns wie ſtarker, maͤchtiger Fluͤgel¬ ſchlag; ein ſchneidender Ton, wie das Angſt¬ geſchrei des zum Tode Getroffenen, gellte durch das Zimmer. — Hermogen! ſchrie Aurelie, und ſank ohnmaͤchtig hin aus meinen Armen. Von wildem Entſetzen erfaßt, rannte ich fort! — Im Flur trat mir die Fuͤrſtin, von einem Spaziergange heimkehrend, entgegen. Sie blickte mich ernſt und ſtolz an, indem ſie ſprach: „Es iſt mir in der That ſehr be¬ fremdlich, Sie hier zu ſehen, Herr Leon¬ ard!“ — Meine Verſtoͤrtheit im Augenblick bemeiſternd, antwortete ich in beinahe be¬ ſtimmterem Ton, als es ziemlich ſeyn moch¬ te: daß man oft gegen große Anregungen vergebens ankaͤmpfe, und daß oft das un¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0101"n="93"/>
meine Schultern, der jugendliche Buſen quoll<lb/>
hervor —ſie aͤchzte dumpf — ich kannte<lb/>
mich ſelbſt nicht mehr! — Ich riß ſie em¬<lb/>
por, ſie ſchien erkraͤftigt, eine fremde Glut<lb/>
brannte in ihrem Auge, feuriger erwiederte<lb/>ſie meine wuͤthenden Kuͤſſe. Da rauſchte es<lb/>
hinter uns wie ſtarker, maͤchtiger Fluͤgel¬<lb/>ſchlag; ein ſchneidender Ton, wie das Angſt¬<lb/>
geſchrei des zum Tode Getroffenen, gellte durch<lb/>
das Zimmer. — Hermogen! ſchrie Aurelie,<lb/>
und ſank ohnmaͤchtig hin aus meinen Armen.<lb/>
Von wildem Entſetzen erfaßt, rannte ich<lb/>
fort! — Im Flur trat mir die Fuͤrſtin, von<lb/>
einem Spaziergange heimkehrend, entgegen.<lb/>
Sie blickte mich ernſt und ſtolz an, indem<lb/>ſie ſprach: „Es iſt mir in der That ſehr be¬<lb/>
fremdlich, Sie hier zu ſehen, Herr Leon¬<lb/>
ard!“— Meine Verſtoͤrtheit im Augenblick<lb/>
bemeiſternd, antwortete ich in beinahe be¬<lb/>ſtimmterem Ton, als es ziemlich ſeyn moch¬<lb/>
te: daß man oft gegen große Anregungen<lb/>
vergebens ankaͤmpfe, und daß oft das un¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[93/0101]
meine Schultern, der jugendliche Buſen quoll
hervor — ſie aͤchzte dumpf — ich kannte
mich ſelbſt nicht mehr! — Ich riß ſie em¬
por, ſie ſchien erkraͤftigt, eine fremde Glut
brannte in ihrem Auge, feuriger erwiederte
ſie meine wuͤthenden Kuͤſſe. Da rauſchte es
hinter uns wie ſtarker, maͤchtiger Fluͤgel¬
ſchlag; ein ſchneidender Ton, wie das Angſt¬
geſchrei des zum Tode Getroffenen, gellte durch
das Zimmer. — Hermogen! ſchrie Aurelie,
und ſank ohnmaͤchtig hin aus meinen Armen.
Von wildem Entſetzen erfaßt, rannte ich
fort! — Im Flur trat mir die Fuͤrſtin, von
einem Spaziergange heimkehrend, entgegen.
Sie blickte mich ernſt und ſtolz an, indem
ſie ſprach: „Es iſt mir in der That ſehr be¬
fremdlich, Sie hier zu ſehen, Herr Leon¬
ard!“ — Meine Verſtoͤrtheit im Augenblick
bemeiſternd, antwortete ich in beinahe be¬
ſtimmterem Ton, als es ziemlich ſeyn moch¬
te: daß man oft gegen große Anregungen
vergebens ankaͤmpfe, und daß oft das un¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/101>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.