der ein, die um so mehr wie ein fremdarti¬ ger Zauber auf die Menge wirkten, je we¬ niger sie verstanden wurden. Leonardus wur¬ de sichtlich kälter gegen mich, er vermied, mit mir ohne Zeugen zu sprechen, aber endlich, als wir einst zufällig von allen Brüdern ver¬ lassen, in der Allee des Klostergartens ein¬ hergingen, brach er los: "Nicht verhehlen kann ich es dir, lieber Bruder Medardus, daß Du seit einiger Zeit durch dein ganzes Betragen mir Mißfallen erregst. -- Es ist etwas in deine Seele gekommen, das dich dem Leben in frommer Einfalt abwendig macht. In deinen Reden herrscht ein feind¬ liches Dunkel, aus dem nur noch manches hervorzutreten sich scheut, was dich wenig¬ stens mit mir auf immer entzweien würde. -- Laß mich offenherzig seyn! -- Du trägst in diesem Augenblick die Schuld unseres sündi¬ gen Ursprungs, die jedem mächtigen Empor¬ streben unserer geistigen Kraft die Schran¬ ken des Verderbnisses öffnet, wohin wir uns
der ein, die um ſo mehr wie ein fremdarti¬ ger Zauber auf die Menge wirkten, je we¬ niger ſie verſtanden wurden. Leonardus wur¬ de ſichtlich kaͤlter gegen mich, er vermied, mit mir ohne Zeugen zu ſprechen, aber endlich, als wir einſt zufaͤllig von allen Bruͤdern ver¬ laſſen, in der Allee des Kloſtergartens ein¬ hergingen, brach er los: „Nicht verhehlen kann ich es dir, lieber Bruder Medardus, daß Du ſeit einiger Zeit durch dein ganzes Betragen mir Mißfallen erregſt. — Es iſt etwas in deine Seele gekommen, das dich dem Leben in frommer Einfalt abwendig macht. In deinen Reden herrſcht ein feind¬ liches Dunkel, aus dem nur noch manches hervorzutreten ſich ſcheut, was dich wenig¬ ſtens mit mir auf immer entzweien wuͤrde. — Laß mich offenherzig ſeyn! — Du traͤgſt in dieſem Augenblick die Schuld unſeres ſuͤndi¬ gen Urſprungs, die jedem maͤchtigen Empor¬ ſtreben unſerer geiſtigen Kraft die Schran¬ ken des Verderbniſſes oͤffnet, wohin wir uns
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0076"n="60"/>
der ein, die um ſo mehr wie ein fremdarti¬<lb/>
ger Zauber auf die Menge wirkten, je we¬<lb/>
niger ſie verſtanden wurden. Leonardus wur¬<lb/>
de ſichtlich kaͤlter gegen mich, er vermied, mit<lb/>
mir ohne Zeugen zu ſprechen, aber endlich,<lb/>
als wir einſt zufaͤllig von allen Bruͤdern ver¬<lb/>
laſſen, in der Allee des Kloſtergartens ein¬<lb/>
hergingen, brach er los: „Nicht verhehlen<lb/>
kann ich es dir, lieber Bruder Medardus,<lb/>
daß Du ſeit einiger Zeit durch dein ganzes<lb/>
Betragen mir Mißfallen erregſt. — Es iſt<lb/>
etwas in deine Seele gekommen, das dich<lb/>
dem Leben in frommer Einfalt abwendig<lb/>
macht. In deinen Reden herrſcht ein feind¬<lb/>
liches Dunkel, aus dem nur noch manches<lb/>
hervorzutreten ſich ſcheut, was dich wenig¬<lb/>ſtens mit mir auf immer entzweien wuͤrde. —<lb/>
Laß mich offenherzig ſeyn! — Du traͤgſt in<lb/>
dieſem Augenblick die Schuld unſeres ſuͤndi¬<lb/>
gen Urſprungs, die jedem maͤchtigen Empor¬<lb/>ſtreben unſerer geiſtigen Kraft die Schran¬<lb/>
ken des Verderbniſſes oͤffnet, wohin wir uns<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[60/0076]
der ein, die um ſo mehr wie ein fremdarti¬
ger Zauber auf die Menge wirkten, je we¬
niger ſie verſtanden wurden. Leonardus wur¬
de ſichtlich kaͤlter gegen mich, er vermied, mit
mir ohne Zeugen zu ſprechen, aber endlich,
als wir einſt zufaͤllig von allen Bruͤdern ver¬
laſſen, in der Allee des Kloſtergartens ein¬
hergingen, brach er los: „Nicht verhehlen
kann ich es dir, lieber Bruder Medardus,
daß Du ſeit einiger Zeit durch dein ganzes
Betragen mir Mißfallen erregſt. — Es iſt
etwas in deine Seele gekommen, das dich
dem Leben in frommer Einfalt abwendig
macht. In deinen Reden herrſcht ein feind¬
liches Dunkel, aus dem nur noch manches
hervorzutreten ſich ſcheut, was dich wenig¬
ſtens mit mir auf immer entzweien wuͤrde. —
Laß mich offenherzig ſeyn! — Du traͤgſt in
dieſem Augenblick die Schuld unſeres ſuͤndi¬
gen Urſprungs, die jedem maͤchtigen Empor¬
ſtreben unſerer geiſtigen Kraft die Schran¬
ken des Verderbniſſes oͤffnet, wohin wir uns
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/76>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.