Scheu zu predigen, weil es ihn bei den schon erreichten hohen Jahren zu stark angriff, und sonst gab es im Kloster keinen, der die Stelle jenes schwächlichen Bruders hätte er¬ setzen können. Leonardus sprach mit mir über diesen Uebelstand, der der Kirche den Besuch mancher Frommen entzog; ich faßte mir ein Herz und sagte ihm, wie ich schon im Seminar einen innern Beruf zum Predi¬ gen gespürt und manche geistliche Rede auf¬ geschrieben habe. Er verlangte, sie zu sehen, und war so höchlich damit zufrieden, daß er in mich drang schon am nächsten heiligen Tage, den Versuch mit einer Predigt zu machen, der um so weniger mißlingen wer¬ de, als mich die Natur mit Allem ausge¬ stattet habe, was zum guten Canzelredner gehöre, nehmlich mit einer einnehmenden Gestalt, einem ausdrucksvollen Gesicht und einer kräftigen tonreichen Stimme. Rück¬ sichts des äußern Anstandes, der richtigen Gestikulation unternahm Leonardus selbst mich
Scheu zu predigen, weil es ihn bei den ſchon erreichten hohen Jahren zu ſtark angriff, und ſonst gab es im Kloſter keinen, der die Stelle jenes ſchwaͤchlichen Bruders haͤtte er¬ ſetzen koͤnnen. Leonardus ſprach mit mir uͤber dieſen Uebelſtand, der der Kirche den Beſuch mancher Frommen entzog; ich faßte mir ein Herz und ſagte ihm, wie ich ſchon im Seminar einen innern Beruf zum Predi¬ gen geſpuͤrt und manche geiſtliche Rede auf¬ geſchrieben habe. Er verlangte, ſie zu ſehen, und war ſo hoͤchlich damit zufrieden, daß er in mich drang ſchon am naͤchſten heiligen Tage, den Verſuch mit einer Predigt zu machen, der um ſo weniger mißlingen wer¬ de, als mich die Natur mit Allem ausge¬ ſtattet habe, was zum guten Canzelredner gehoͤre, nehmlich mit einer einnehmenden Geſtalt, einem ausdrucksvollen Geſicht und einer kraͤftigen tonreichen Stimme. Ruͤck¬ ſichts des aͤußern Anſtandes, der richtigen Geſtikulation unternahm Leonardus ſelbſt mich
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Scheu zu predigen, weil es ihn bei den ſchon
erreichten hohen Jahren zu ſtark angriff,
und ſonst gab es im Kloſter keinen, der die
Stelle jenes ſchwaͤchlichen Bruders haͤtte er¬
ſetzen koͤnnen. Leonardus ſprach mit mir
uͤber dieſen Uebelſtand, der der Kirche den
Beſuch mancher Frommen entzog; ich faßte
mir ein Herz und ſagte ihm, wie ich ſchon
im Seminar einen innern Beruf zum Predi¬
gen geſpuͤrt und manche geiſtliche Rede auf¬
geſchrieben habe. Er verlangte, ſie zu ſehen,
und war ſo hoͤchlich damit zufrieden, daß er
in mich drang ſchon am naͤchſten heiligen
Tage, den Verſuch mit einer Predigt zu
machen, der um ſo weniger mißlingen wer¬
de, als mich die Natur mit Allem ausge¬
ſtattet habe, was zum guten Canzelredner
gehoͤre, nehmlich mit einer einnehmenden
Geſtalt, einem ausdrucksvollen Geſicht und
einer kraͤftigen tonreichen Stimme. Ruͤck¬
ſichts des aͤußern Anſtandes, der richtigen
Geſtikulation unternahm Leonardus ſelbſt mich
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/71>, abgerufen am 25.11.2024.
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