wo sie gestanden, und übergab mir den Schlüsselbund, an dem auch der Schlüssel je¬ nes Schranks hing: die ganze Erzählung hatte auf mich einen eignen Eindruck ge¬ macht, aber je mehr ich eine innere Lüstern¬ heit emporkeimen fühlte, die wunderbare Re¬ liquie zu sehen, desto mehr war ich, der War¬ nung des Bruders Cyrillus gedenkend, be¬ müht, auf jede Art mir es zu erschweren. Als Cyrillus mich verlassen, übersah ich noch einmal die mir anvertrauten Heiligthümer, dann löste ich aber das Schlüsselchen, wel¬ ches den gefährlichen Schrank schloß, vom Bunde ab, und versteckte es tief unter meine Skripturen im Schreibpulte. --
Unter den Professoren im Seminar gab es einen vortrefflichen Redner, jedesmal, wenn er predigte, war die Kirche überfüllt; der Feuerstrom seiner Worte riß alles unwi¬ derstehlich fort, die inbrünstigste Andacht im Innern entzündend. Auch mir drangen sei¬ ne herrlichen begeisterten Reden ins Innerste,
wo ſie geſtanden, und uͤbergab mir den Schluͤſſelbund, an dem auch der Schluͤſſel je¬ nes Schranks hing: die ganze Erzaͤhlung hatte auf mich einen eignen Eindruck ge¬ macht, aber je mehr ich eine innere Luͤſtern¬ heit emporkeimen fuͤhlte, die wunderbare Re¬ liquie zu ſehen, deſto mehr war ich, der War¬ nung des Bruders Cyrillus gedenkend, be¬ muͤht, auf jede Art mir es zu erſchweren. Als Cyrillus mich verlaſſen, uͤberſah ich noch einmal die mir anvertrauten Heiligthuͤmer, dann loͤſte ich aber das Schluͤſſelchen, wel¬ ches den gefaͤhrlichen Schrank ſchloß, vom Bunde ab, und verſteckte es tief unter meine Skripturen im Schreibpulte. —
Unter den Profeſſoren im Seminar gab es einen vortrefflichen Redner, jedesmal, wenn er predigte, war die Kirche uͤberfuͤllt; der Feuerſtrom ſeiner Worte riß alles unwi¬ derſtehlich fort, die inbruͤnſtigſte Andacht im Innern entzuͤndend. Auch mir drangen ſei¬ ne herrlichen begeiſterten Reden ins Innerſte,
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wo ſie geſtanden, und uͤbergab mir den
Schluͤſſelbund, an dem auch der Schluͤſſel je¬
nes Schranks hing: die ganze Erzaͤhlung
hatte auf mich einen eignen Eindruck ge¬
macht, aber je mehr ich eine innere Luͤſtern¬
heit emporkeimen fuͤhlte, die wunderbare Re¬
liquie zu ſehen, deſto mehr war ich, der War¬
nung des Bruders Cyrillus gedenkend, be¬
muͤht, auf jede Art mir es zu erſchweren.
Als Cyrillus mich verlaſſen, uͤberſah ich noch
einmal die mir anvertrauten Heiligthuͤmer,
dann loͤſte ich aber das Schluͤſſelchen, wel¬
ches den gefaͤhrlichen Schrank ſchloß, vom
Bunde ab, und verſteckte es tief unter meine
Skripturen im Schreibpulte. —
Unter den Profeſſoren im Seminar gab
es einen vortrefflichen Redner, jedesmal,
wenn er predigte, war die Kirche uͤberfuͤllt;
der Feuerſtrom ſeiner Worte riß alles unwi¬
derſtehlich fort, die inbruͤnſtigſte Andacht im
Innern entzuͤndend. Auch mir drangen ſei¬
ne herrlichen begeiſterten Reden ins Innerſte,
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/69>, abgerufen am 27.11.2024.
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