denstracht schmiegte sich wundersam den wohlgebauten Formen seines Körpers an. Es befand sich kein Einziger unter den Brü¬ dern, den nicht eigne freie Wahl, den nicht sogar das von der innern geistigen Stimmung erzeugte Bedürfniß in das Kloster gebracht hätte; aber auch den Unglücklichen, der im Kloster den Port gesucht hätte, um der Ver¬ nichtung zu entgehen, hätte Leonardus bald getröstet; seine Buße wäre der kurze Ueber¬ gang zur Ruhe geworden, und, mit der Welt versöhnt, ohne ihren Tand zu achten, hätte er, im Irrdischen lebend, doch sich bald über das Irrdische erhoben. Diese ungewöhnli¬ chen Tendenzen des Klosterlebens, hatte Leo¬ nardus in Italien aufgefaßt, wo der Kultus, und mit ihm die ganze Ansicht des religiö¬ sen Lebens heitrer ist, als in dem Katholi¬ schen Deutschland. So wie bei dem Bau der Kirchen, noch die antiken Formen sich er¬ hielten, so scheint auch ein Stral aus je¬ ner heitern lebendigen Zeit des Alterthums
denstracht ſchmiegte ſich wunderſam den wohlgebauten Formen ſeines Koͤrpers an. Es befand ſich kein Einziger unter den Bruͤ¬ dern, den nicht eigne freie Wahl, den nicht ſogar das von der innern geiſtigen Stimmung erzeugte Beduͤrfniß in das Kloſter gebracht haͤtte; aber auch den Ungluͤcklichen, der im Kloſter den Port geſucht haͤtte, um der Ver¬ nichtung zu entgehen, haͤtte Leonardus bald getroͤſtet; ſeine Buße waͤre der kurze Ueber¬ gang zur Ruhe geworden, und, mit der Welt verſoͤhnt, ohne ihren Tand zu achten, haͤtte er, im Irrdiſchen lebend, doch ſich bald uͤber das Irrdiſche erhoben. Dieſe ungewoͤhnli¬ chen Tendenzen des Kloſterlebens, hatte Leo¬ nardus in Italien aufgefaßt, wo der Kultus, und mit ihm die ganze Anſicht des religioͤ¬ ſen Lebens heitrer iſt, als in dem Katholi¬ ſchen Deutſchland. So wie bei dem Bau der Kirchen, noch die antiken Formen ſich er¬ hielten, ſo ſcheint auch ein Stral aus je¬ ner heitern lebendigen Zeit des Alterthums
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denstracht ſchmiegte ſich wunderſam den
wohlgebauten Formen ſeines Koͤrpers an.
Es befand ſich kein Einziger unter den Bruͤ¬
dern, den nicht eigne freie Wahl, den nicht
ſogar das von der innern geiſtigen Stimmung
erzeugte Beduͤrfniß in das Kloſter gebracht
haͤtte; aber auch den Ungluͤcklichen, der im
Kloſter den Port geſucht haͤtte, um der Ver¬
nichtung zu entgehen, haͤtte Leonardus bald
getroͤſtet; ſeine Buße waͤre der kurze Ueber¬
gang zur Ruhe geworden, und, mit der Welt
verſoͤhnt, ohne ihren Tand zu achten, haͤtte
er, im Irrdiſchen lebend, doch ſich bald uͤber
das Irrdiſche erhoben. Dieſe ungewoͤhnli¬
chen Tendenzen des Kloſterlebens, hatte Leo¬
nardus in Italien aufgefaßt, wo der Kultus,
und mit ihm die ganze Anſicht des religioͤ¬
ſen Lebens heitrer iſt, als in dem Katholi¬
ſchen Deutſchland. So wie bei dem Bau
der Kirchen, noch die antiken Formen ſich er¬
hielten, ſo ſcheint auch ein Stral aus je¬
ner heitern lebendigen Zeit des Alterthums
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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