Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

den des Mahlers und des alten Pilgers er¬
gänzt hat, bis zu dem Moment, als mich
meine Mutter zum erstenmal zur Aebtissin
brachte, macht eine völlige Lücke: nicht die
leiseste Ahnung ist mir davon übrig geblie¬
ben. Ich finde mich erst wieder, als die
Mutter meinen Anzug, so viel es ihr nur
möglich war, besserte und ordnete. Sie hat¬
te neue Bänder in der Stadt gekauft, sie
verschnitt mein wildverwachs'nes Haar, sie
putzte mich mit aller Mühe und schärfte mir
dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei
der Frau Aebtissin zu betragen. Endlich stieg
ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten
steinernen Treppen herauf und trat in das
hohe, gewölbte, mit heiligen Bildern ausge¬
schmückte Gemach, in dem wir die Fürstin
fanden. Es war eine große majestätische
schöne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬
furcht einflößende Würde gab. Sie sah mich
mit einem ernsten bis ins Innerste dringen¬
den Blick an, und frug: ist das euer Sohn?

den des Mahlers und des alten Pilgers er¬
gaͤnzt hat, bis zu dem Moment, als mich
meine Mutter zum erſtenmal zur Aebtiſſin
brachte, macht eine voͤllige Luͤcke: nicht die
leiſeſte Ahnung iſt mir davon uͤbrig geblie¬
ben. Ich finde mich erſt wieder, als die
Mutter meinen Anzug, ſo viel es ihr nur
moͤglich war, beſſerte und ordnete. Sie hat¬
te neue Baͤnder in der Stadt gekauft, ſie
verſchnitt mein wildverwachſ'nes Haar, ſie
putzte mich mit aller Muͤhe und ſchaͤrfte mir
dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei
der Frau Aebtiſſin zu betragen. Endlich ſtieg
ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten
ſteinernen Treppen herauf und trat in das
hohe, gewoͤlbte, mit heiligen Bildern ausge¬
ſchmuͤckte Gemach, in dem wir die Fuͤrſtin
fanden. Es war eine große majeſtaͤtiſche
ſchoͤne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬
furcht einfloͤßende Wuͤrde gab. Sie ſah mich
mit einem ernſten bis ins Innerſte dringen¬
den Blick an, und frug: iſt das euer Sohn?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0026" n="10"/>
den des Mahlers und des alten Pilgers er¬<lb/>
ga&#x0364;nzt hat, bis zu dem Moment, als mich<lb/>
meine Mutter zum er&#x017F;tenmal zur Aebti&#x017F;&#x017F;in<lb/>
brachte, macht eine vo&#x0364;llige Lu&#x0364;cke: nicht die<lb/>
lei&#x017F;e&#x017F;te Ahnung i&#x017F;t mir davon u&#x0364;brig geblie¬<lb/>
ben. Ich finde mich er&#x017F;t wieder, als die<lb/>
Mutter meinen Anzug, &#x017F;o viel es ihr nur<lb/>
mo&#x0364;glich war, be&#x017F;&#x017F;erte und ordnete. Sie hat¬<lb/>
te neue Ba&#x0364;nder in der Stadt gekauft, &#x017F;ie<lb/>
ver&#x017F;chnitt mein wildverwach&#x017F;'nes Haar, &#x017F;ie<lb/>
putzte mich mit aller Mu&#x0364;he und &#x017F;cha&#x0364;rfte mir<lb/>
dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei<lb/>
der Frau Aebti&#x017F;&#x017F;in zu betragen. Endlich &#x017F;tieg<lb/>
ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten<lb/>
&#x017F;teinernen Treppen herauf und trat in das<lb/>
hohe, gewo&#x0364;lbte, mit heiligen Bildern ausge¬<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;ckte Gemach, in dem wir die Fu&#x0364;r&#x017F;tin<lb/>
fanden. Es war eine große maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;che<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬<lb/>
furcht einflo&#x0364;ßende Wu&#x0364;rde gab. Sie &#x017F;ah mich<lb/>
mit einem ern&#x017F;ten bis ins Inner&#x017F;te dringen¬<lb/>
den Blick an, und frug: i&#x017F;t das euer Sohn?<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0026] den des Mahlers und des alten Pilgers er¬ gaͤnzt hat, bis zu dem Moment, als mich meine Mutter zum erſtenmal zur Aebtiſſin brachte, macht eine voͤllige Luͤcke: nicht die leiſeſte Ahnung iſt mir davon uͤbrig geblie¬ ben. Ich finde mich erſt wieder, als die Mutter meinen Anzug, ſo viel es ihr nur moͤglich war, beſſerte und ordnete. Sie hat¬ te neue Baͤnder in der Stadt gekauft, ſie verſchnitt mein wildverwachſ'nes Haar, ſie putzte mich mit aller Muͤhe und ſchaͤrfte mir dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei der Frau Aebtiſſin zu betragen. Endlich ſtieg ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten ſteinernen Treppen herauf und trat in das hohe, gewoͤlbte, mit heiligen Bildern ausge¬ ſchmuͤckte Gemach, in dem wir die Fuͤrſtin fanden. Es war eine große majeſtaͤtiſche ſchoͤne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬ furcht einfloͤßende Wuͤrde gab. Sie ſah mich mit einem ernſten bis ins Innerſte dringen¬ den Blick an, und frug: iſt das euer Sohn?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/26
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/26>, abgerufen am 23.11.2024.