den des Mahlers und des alten Pilgers er¬ gänzt hat, bis zu dem Moment, als mich meine Mutter zum erstenmal zur Aebtissin brachte, macht eine völlige Lücke: nicht die leiseste Ahnung ist mir davon übrig geblie¬ ben. Ich finde mich erst wieder, als die Mutter meinen Anzug, so viel es ihr nur möglich war, besserte und ordnete. Sie hat¬ te neue Bänder in der Stadt gekauft, sie verschnitt mein wildverwachs'nes Haar, sie putzte mich mit aller Mühe und schärfte mir dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei der Frau Aebtissin zu betragen. Endlich stieg ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten steinernen Treppen herauf und trat in das hohe, gewölbte, mit heiligen Bildern ausge¬ schmückte Gemach, in dem wir die Fürstin fanden. Es war eine große majestätische schöne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬ furcht einflößende Würde gab. Sie sah mich mit einem ernsten bis ins Innerste dringen¬ den Blick an, und frug: ist das euer Sohn?
den des Mahlers und des alten Pilgers er¬ gaͤnzt hat, bis zu dem Moment, als mich meine Mutter zum erſtenmal zur Aebtiſſin brachte, macht eine voͤllige Luͤcke: nicht die leiſeſte Ahnung iſt mir davon uͤbrig geblie¬ ben. Ich finde mich erſt wieder, als die Mutter meinen Anzug, ſo viel es ihr nur moͤglich war, beſſerte und ordnete. Sie hat¬ te neue Baͤnder in der Stadt gekauft, ſie verſchnitt mein wildverwachſ'nes Haar, ſie putzte mich mit aller Muͤhe und ſchaͤrfte mir dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei der Frau Aebtiſſin zu betragen. Endlich ſtieg ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten ſteinernen Treppen herauf und trat in das hohe, gewoͤlbte, mit heiligen Bildern ausge¬ ſchmuͤckte Gemach, in dem wir die Fuͤrſtin fanden. Es war eine große majeſtaͤtiſche ſchoͤne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬ furcht einfloͤßende Wuͤrde gab. Sie ſah mich mit einem ernſten bis ins Innerſte dringen¬ den Blick an, und frug: iſt das euer Sohn?
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0026"n="10"/>
den des Mahlers und des alten Pilgers er¬<lb/>
gaͤnzt hat, bis zu dem Moment, als mich<lb/>
meine Mutter zum erſtenmal zur Aebtiſſin<lb/>
brachte, macht eine voͤllige Luͤcke: nicht die<lb/>
leiſeſte Ahnung iſt mir davon uͤbrig geblie¬<lb/>
ben. Ich finde mich erſt wieder, als die<lb/>
Mutter meinen Anzug, ſo viel es ihr nur<lb/>
moͤglich war, beſſerte und ordnete. Sie hat¬<lb/>
te neue Baͤnder in der Stadt gekauft, ſie<lb/>
verſchnitt mein wildverwachſ'nes Haar, ſie<lb/>
putzte mich mit aller Muͤhe und ſchaͤrfte mir<lb/>
dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei<lb/>
der Frau Aebtiſſin zu betragen. Endlich ſtieg<lb/>
ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten<lb/>ſteinernen Treppen herauf und trat in das<lb/>
hohe, gewoͤlbte, mit heiligen Bildern ausge¬<lb/>ſchmuͤckte Gemach, in dem wir die Fuͤrſtin<lb/>
fanden. Es war eine große majeſtaͤtiſche<lb/>ſchoͤne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬<lb/>
furcht einfloͤßende Wuͤrde gab. Sie ſah mich<lb/>
mit einem ernſten bis ins Innerſte dringen¬<lb/>
den Blick an, und frug: iſt das euer Sohn?<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[10/0026]
den des Mahlers und des alten Pilgers er¬
gaͤnzt hat, bis zu dem Moment, als mich
meine Mutter zum erſtenmal zur Aebtiſſin
brachte, macht eine voͤllige Luͤcke: nicht die
leiſeſte Ahnung iſt mir davon uͤbrig geblie¬
ben. Ich finde mich erſt wieder, als die
Mutter meinen Anzug, ſo viel es ihr nur
moͤglich war, beſſerte und ordnete. Sie hat¬
te neue Baͤnder in der Stadt gekauft, ſie
verſchnitt mein wildverwachſ'nes Haar, ſie
putzte mich mit aller Muͤhe und ſchaͤrfte mir
dabei ein, mich ja recht fromm und artig bei
der Frau Aebtiſſin zu betragen. Endlich ſtieg
ich, an der Hand meiner Mutter, die breiten
ſteinernen Treppen herauf und trat in das
hohe, gewoͤlbte, mit heiligen Bildern ausge¬
ſchmuͤckte Gemach, in dem wir die Fuͤrſtin
fanden. Es war eine große majeſtaͤtiſche
ſchoͤne Frau, der die Ordenstracht eine Ehr¬
furcht einfloͤßende Wuͤrde gab. Sie ſah mich
mit einem ernſten bis ins Innerſte dringen¬
den Blick an, und frug: iſt das euer Sohn?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/26>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.