grunde. -- Das war der Ort des Abentheu¬ ers, welches der Graf zu bestehen im Sinn gehabt, und ich ging ihm muthig entgegen. Bald befand ich mich in den Gängen des Parks, welcher das Schloß umgab; in einer dunklen Seiten-Allee sah ich zwei Männer wandeln, von denen der eine, wie ein Welt¬ geistlicher gekleidet war. Sie kamen mir nä¬ her, aber ohne mich gewahr zu werden gin¬ gen sie in tiefem Gespräch bei mir vorüber. Der Weltgeistliche war ein Jüngling, auf dessen schönem Gesichte die Todtenblässe ei¬ nes tief nagenden Kummers lag, der andere schlicht aber anständig gekleidet, schien ein schon bejahrter Mann. Sie setzten sich, mir den Rücken zuwendend, auf eine steinerne Bank, ich konnte jedes Wort verstehen, was Sie sprachen. "Hermogen! sagte der Alte: Sie bringen durch Ihr starrsinniges Schwei¬ gen Ihre Familie zur Verzweiflung, Ihre düstre Schwermuth steigt mit jedem Tage, Ihre jugendliche Kraft ist gebrochen, die Blüthe
grunde. — Das war der Ort des Abentheu¬ ers, welches der Graf zu beſtehen im Sinn gehabt, und ich ging ihm muthig entgegen. Bald befand ich mich in den Gaͤngen des Parks, welcher das Schloß umgab; in einer dunklen Seiten-Allee ſah ich zwei Maͤnner wandeln, von denen der eine, wie ein Welt¬ geiſtlicher gekleidet war. Sie kamen mir naͤ¬ her, aber ohne mich gewahr zu werden gin¬ gen ſie in tiefem Geſpraͤch bei mir voruͤber. Der Weltgeiſtliche war ein Juͤngling, auf deſſen ſchoͤnem Geſichte die Todtenblaͤſſe ei¬ nes tief nagenden Kummers lag, der andere ſchlicht aber anſtaͤndig gekleidet, ſchien ein ſchon bejahrter Mann. Sie ſetzten ſich, mir den Ruͤcken zuwendend, auf eine ſteinerne Bank, ich konnte jedes Wort verſtehen, was Sie ſprachen. „Hermogen! ſagte der Alte: Sie bringen durch Ihr ſtarrſinniges Schwei¬ gen Ihre Familie zur Verzweiflung, Ihre duͤſtre Schwermuth ſteigt mit jedem Tage, Ihre jugendliche Kraft iſt gebrochen, die Bluͤthe
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grunde. — Das war der Ort des Abentheu¬
ers, welches der Graf zu beſtehen im Sinn
gehabt, und ich ging ihm muthig entgegen.
Bald befand ich mich in den Gaͤngen des
Parks, welcher das Schloß umgab; in einer
dunklen Seiten-Allee ſah ich zwei Maͤnner
wandeln, von denen der eine, wie ein Welt¬
geiſtlicher gekleidet war. Sie kamen mir naͤ¬
her, aber ohne mich gewahr zu werden gin¬
gen ſie in tiefem Geſpraͤch bei mir voruͤber.
Der Weltgeiſtliche war ein Juͤngling, auf
deſſen ſchoͤnem Geſichte die Todtenblaͤſſe ei¬
nes tief nagenden Kummers lag, der andere
ſchlicht aber anſtaͤndig gekleidet, ſchien ein
ſchon bejahrter Mann. Sie ſetzten ſich, mir
den Ruͤcken zuwendend, auf eine ſteinerne
Bank, ich konnte jedes Wort verſtehen, was
Sie ſprachen. „Hermogen! ſagte der Alte:
Sie bringen durch Ihr ſtarrſinniges Schwei¬
gen Ihre Familie zur Verzweiflung, Ihre
duͤſtre Schwermuth ſteigt mit jedem Tage, Ihre
jugendliche Kraft iſt gebrochen, die Bluͤthe
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/121>, abgerufen am 27.11.2024.
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