Schon mehrere Tage war ich durch das Gebürge gewandelt, zwischen kühn emporge¬ thürmten schauerlichen Felsenmassen, über schmale Stege, unter denen reissende Wald¬ bäche brausten; immer öder, immer be¬ schwerlicher wurde der Weg. Es war hoher Mittag, die Sonne brannte auf mein unbe¬ decktes Haupt, ich lechzte vor Durst, aber keine Quelle war in der Nähe, und noch im¬ mer konnte ich nicht das Dorf erreichen, auf das ich stoßen sollte. Ganz entkräftet setzte ich mich auf ein Felsstück, und konnte nicht widerstehen, einen Zug aus der Korbflasche zu thun, unerachtet ich das seltsame Getränk so viel nur möglich, aufsparen wollte. Neue Kraft durchglühte meine Adern, und erfrischt und gestärkt schritt ich weiter, um mein Ziel, das nicht mehr fern seyn konnte, zu erreichen. Immer dichter und dichter wurde der Tan¬ nenwald, im tiefsten Dickigt rauschte es, und bald darauf wieherte laut ein Pferd, das dort angebunden. Ich trat einige Schritte weiter
Schon mehrere Tage war ich durch das Gebuͤrge gewandelt, zwiſchen kuͤhn emporge¬ thuͤrmten ſchauerlichen Felſenmaſſen, uͤber ſchmale Stege, unter denen reiſſende Wald¬ baͤche brausten; immer oͤder, immer be¬ ſchwerlicher wurde der Weg. Es war hoher Mittag, die Sonne brannte auf mein unbe¬ decktes Haupt, ich lechzte vor Durſt, aber keine Quelle war in der Naͤhe, und noch im¬ mer konnte ich nicht das Dorf erreichen, auf das ich ſtoßen ſollte. Ganz entkraͤftet ſetzte ich mich auf ein Felsſtuͤck, und konnte nicht widerſtehen, einen Zug aus der Korbflaſche zu thun, unerachtet ich das ſeltſame Getraͤnk ſo viel nur moͤglich, aufſparen wollte. Neue Kraft durchgluͤhte meine Adern, und erfriſcht und geſtaͤrkt ſchritt ich weiter, um mein Ziel, das nicht mehr fern ſeyn konnte, zu erreichen. Immer dichter und dichter wurde der Tan¬ nenwald, im tiefſten Dickigt rauſchte es, und bald darauf wieherte laut ein Pferd, das dort angebunden. Ich trat einige Schritte weiter
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Schon mehrere Tage war ich durch das
Gebuͤrge gewandelt, zwiſchen kuͤhn emporge¬
thuͤrmten ſchauerlichen Felſenmaſſen, uͤber
ſchmale Stege, unter denen reiſſende Wald¬
baͤche brausten; immer oͤder, immer be¬
ſchwerlicher wurde der Weg. Es war hoher
Mittag, die Sonne brannte auf mein unbe¬
decktes Haupt, ich lechzte vor Durſt, aber
keine Quelle war in der Naͤhe, und noch im¬
mer konnte ich nicht das Dorf erreichen, auf
das ich ſtoßen ſollte. Ganz entkraͤftet ſetzte
ich mich auf ein Felsſtuͤck, und konnte nicht
widerſtehen, einen Zug aus der Korbflaſche
zu thun, unerachtet ich das ſeltſame Getraͤnk
ſo viel nur moͤglich, aufſparen wollte. Neue
Kraft durchgluͤhte meine Adern, und erfriſcht
und geſtaͤrkt ſchritt ich weiter, um mein Ziel,
das nicht mehr fern ſeyn konnte, zu erreichen.
Immer dichter und dichter wurde der Tan¬
nenwald, im tiefſten Dickigt rauſchte es, und
bald darauf wieherte laut ein Pferd, das dort
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/115>, abgerufen am 23.11.2024.
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