mich ganz unerwartet zu sich rufen ließ; Ich erbebte, denn nichts glaubte ich gewisser, als daß er von meinem heimlichen Anschlage et¬ was bemerkt habe. Leonardus empfing mich mit ungewöhnlichem Ernst, ja mit einer im¬ ponirenden Würde, vor der ich unwillkührlich erzittern mußte. "Bruder Medardus, fing er an: Dein unsinniges Betragen, das ich nur für den stärkeren Ausbruch jener geisti¬ gen Exaltation halte, die Du seit längerer Zeit vielleicht nicht aus den reinsten Absich¬ ten herbeigeführt hast, zerreißt unser ruhiges Beisammenseyn, ja es wirkt zerstörend auf die Heiterkeit und Gemüthlichkeit, die ich als das Erzeugniß eines stillen frommen Lebens bis jetzt unter den Brüdern zu erhalten streb¬ te. -- Vielleicht ist aber auch irgend ein feindliches Ereigniß, das Dich betroffen, daran Schuld. Du hättest bei mir, deinem väter¬ lichen Freunde, dem du sicher Alles vertrauen konntest, Trost gefunden, doch Du schwiegst, und ich mag um so weniger in Dich drin¬
mich ganz unerwartet zu ſich rufen ließ; Ich erbebte, denn nichts glaubte ich gewiſſer, als daß er von meinem heimlichen Anſchlage et¬ was bemerkt habe. Leonardus empfing mich mit ungewoͤhnlichem Ernſt, ja mit einer im¬ ponirenden Wuͤrde, vor der ich unwillkuͤhrlich erzittern mußte. „Bruder Medardus, fing er an: Dein unſinniges Betragen, das ich nur fuͤr den ſtaͤrkeren Ausbruch jener geiſti¬ gen Exaltation halte, die Du ſeit laͤngerer Zeit vielleicht nicht aus den reinſten Abſich¬ ten herbeigefuͤhrt haſt, zerreißt unſer ruhiges Beiſammenſeyn, ja es wirkt zerſtoͤrend auf die Heiterkeit und Gemuͤthlichkeit, die ich als das Erzeugniß eines ſtillen frommen Lebens bis jetzt unter den Bruͤdern zu erhalten ſtreb¬ te. — Vielleicht iſt aber auch irgend ein feindliches Ereigniß, das Dich betroffen, daran Schuld. Du haͤtteſt bei mir, deinem vaͤter¬ lichen Freunde, dem du ſicher Alles vertrauen konnteſt, Troſt gefunden, doch Du ſchwiegſt, und ich mag um ſo weniger in Dich drin¬
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mich ganz unerwartet zu ſich rufen ließ; Ich
erbebte, denn nichts glaubte ich gewiſſer, als
daß er von meinem heimlichen Anſchlage et¬
was bemerkt habe. Leonardus empfing mich
mit ungewoͤhnlichem Ernſt, ja mit einer im¬
ponirenden Wuͤrde, vor der ich unwillkuͤhrlich
erzittern mußte. „Bruder Medardus, fing
er an: Dein unſinniges Betragen, das ich
nur fuͤr den ſtaͤrkeren Ausbruch jener geiſti¬
gen Exaltation halte, die Du ſeit laͤngerer
Zeit vielleicht nicht aus den reinſten Abſich¬
ten herbeigefuͤhrt haſt, zerreißt unſer ruhiges
Beiſammenſeyn, ja es wirkt zerſtoͤrend auf
die Heiterkeit und Gemuͤthlichkeit, die ich als
das Erzeugniß eines ſtillen frommen Lebens
bis jetzt unter den Bruͤdern zu erhalten ſtreb¬
te. — Vielleicht iſt aber auch irgend ein
feindliches Ereigniß, das Dich betroffen, daran
Schuld. Du haͤtteſt bei mir, deinem vaͤter¬
lichen Freunde, dem du ſicher Alles vertrauen
konnteſt, Troſt gefunden, doch Du ſchwiegſt,
und ich mag um ſo weniger in Dich drin¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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