Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.Rheinweinliedes Ernst werden sollte. Aber dabei Bei Unbekannten sprach er wenig oder nichts; und etwas
Rheinweinliedes Ernſt werden ſollte. Aber dabei Bei Unbekannten ſprach er wenig oder nichts; und etwas
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="X"/> Rheinweinliedes Ernſt werden ſollte. Aber dabei<lb/> blieb es denn auch. Dieſe Anmerkung iſt vielleicht<lb/> nicht überflüſſig, da ein rechtſchaffener Geiſtlicher den<lb/> Scherz jenes Liedes misverſtanden hat, und der ſcherz¬<lb/> hafte Horaz faſt von allen ſeinen Erklärern mehr oder<lb/> weniger misverſtanden wird. Wenn uns Fremde be¬<lb/> ſuchten, die er achtete, ſo lieſs er gern ſeine Gedichte<lb/> vorleſen. Dann ſtellte er ſich nahe vor den Gaſt, ſah<lb/> ihm freundlich ins Geſicht, und nahm ſein Lob ſo hin,<lb/> als wenns ihm gebührte. Nur zweimal habe ich ihn<lb/> weinen geſehn. Er ſagte mir einſt, wie von ungefähr,<lb/> daſs er des Morgens Blut aushuſtete. Ich erſchrak, und<lb/> trieb ihn, einen Arzt zu befragen. Er lieſs das gut ſein.<lb/> Ich und die übrigen Freunde, die noch in Göttingen<lb/> waren, wurden dringender; aber Hölty hatte ſeinen<lb/> Scherz mit uns. Endlich führte ich ihn mit Gewalt<lb/> zu Richter. Der Arzt erkundigte ſich, und tröſtete<lb/> ihn zwar, aber ſo, daſs ihn Hölty verſtand. Als wir<lb/> zurückgingen, weinte er bitterlich. Daſs zweitemal war,<lb/> als er den Tod ſeines Vaters erfuhr. Er kam mit ver¬<lb/> ſtörtem Geſicht auf meine Stube; denn wir aſſen zu¬<lb/> ſammen. Wie gehts, Hölty? Recht gut, antwortete<lb/> er lächelnd; aber mein Vater iſt todt. Und Thränen<lb/> ſtürzten ihm von den bleichen Wangen.</p><lb/> <p>Bei Unbekannten ſprach er wenig oder nichts; und<lb/> ſelbſt unter ſeinen Freunden, wenn die Geſellſchaft nur<lb/> <fw place="bottom" type="catch">etwas<lb/></fw> </p> </div> </front> </text> </TEI> [X/0018]
Rheinweinliedes Ernſt werden ſollte. Aber dabei
blieb es denn auch. Dieſe Anmerkung iſt vielleicht
nicht überflüſſig, da ein rechtſchaffener Geiſtlicher den
Scherz jenes Liedes misverſtanden hat, und der ſcherz¬
hafte Horaz faſt von allen ſeinen Erklärern mehr oder
weniger misverſtanden wird. Wenn uns Fremde be¬
ſuchten, die er achtete, ſo lieſs er gern ſeine Gedichte
vorleſen. Dann ſtellte er ſich nahe vor den Gaſt, ſah
ihm freundlich ins Geſicht, und nahm ſein Lob ſo hin,
als wenns ihm gebührte. Nur zweimal habe ich ihn
weinen geſehn. Er ſagte mir einſt, wie von ungefähr,
daſs er des Morgens Blut aushuſtete. Ich erſchrak, und
trieb ihn, einen Arzt zu befragen. Er lieſs das gut ſein.
Ich und die übrigen Freunde, die noch in Göttingen
waren, wurden dringender; aber Hölty hatte ſeinen
Scherz mit uns. Endlich führte ich ihn mit Gewalt
zu Richter. Der Arzt erkundigte ſich, und tröſtete
ihn zwar, aber ſo, daſs ihn Hölty verſtand. Als wir
zurückgingen, weinte er bitterlich. Daſs zweitemal war,
als er den Tod ſeines Vaters erfuhr. Er kam mit ver¬
ſtörtem Geſicht auf meine Stube; denn wir aſſen zu¬
ſammen. Wie gehts, Hölty? Recht gut, antwortete
er lächelnd; aber mein Vater iſt todt. Und Thränen
ſtürzten ihm von den bleichen Wangen.
Bei Unbekannten ſprach er wenig oder nichts; und
ſelbſt unter ſeinen Freunden, wenn die Geſellſchaft nur
etwas
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