um Theologie zu studiren. Sein Vater bestimmte ihm die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und versorgte ihn hinlänglich. Auch vergass Hölty seine Bestimmung nicht, sondern lernte mit grosser Gewissenhaftigkeit alles, was einem künftigen Prediger nöthig ist. Indess blieb einem Geiste, wie der seinige war, noch Zeit genug, sich mit Lesung der Alten und Neuen, (er las nun auch Italienisch,) und mit eigenen Arbeiten zu beschäf¬ tigen.
Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller, und von Ostern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn, Leisewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt. Er bat seinen Vater, ihn noch in Göttingen zu lassen; und ihm ward vorerst noch ein halbes Jahr bewilligt. Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freitisch, (wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freitische be¬ stand,) und eine Stelle im philologischen Seminarium er¬ hielt. Er meldete dieses seinem Vater, und erbot sich, was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬ richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem zufrieden.
Wer Hölty zum erstenmal sah, hielt ihn nicht leicht für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬ bückt, unbehülflich, von trägem Gange, blass wie der
Tod,
um Theologie zu ſtudiren. Sein Vater beſtimmte ihm die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und verſorgte ihn hinlänglich. Auch vergaſs Hölty ſeine Beſtimmung nicht, ſondern lernte mit groſſer Gewiſſenhaftigkeit alles, was einem künftigen Prediger nöthig iſt. Indeſs blieb einem Geiſte, wie der ſeinige war, noch Zeit genug, ſich mit Leſung der Alten und Neuen, (er las nun auch Italieniſch,) und mit eigenen Arbeiten zu beſchäf¬ tigen.
Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller, und von Oſtern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn, Leiſewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt. Er bat ſeinen Vater, ihn noch in Göttingen zu laſſen; und ihm ward vorerſt noch ein halbes Jahr bewilligt. Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freitiſch, (wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freitiſche be¬ ſtand,) und eine Stelle im philologiſchen Seminarium er¬ hielt. Er meldete dieſes ſeinem Vater, und erbot ſich, was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬ richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem zufrieden.
Wer Hölty zum erſtenmal ſah, hielt ihn nicht leicht für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬ bückt, unbehülflich, von trägem Gange, blaſs wie der
Tod,
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0016"n="VIII"/>
um Theologie zu ſtudiren. Sein Vater beſtimmte ihm<lb/>
die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und verſorgte<lb/>
ihn hinlänglich. Auch vergaſs Hölty ſeine Beſtimmung<lb/>
nicht, ſondern lernte mit groſſer Gewiſſenhaftigkeit<lb/>
alles, was einem künftigen Prediger nöthig iſt. Indeſs<lb/>
blieb einem Geiſte, wie der ſeinige war, noch Zeit<lb/>
genug, ſich mit Leſung der Alten und Neuen, (er las nun<lb/>
auch Italieniſch,) und mit eigenen Arbeiten zu beſchäf¬<lb/>
tigen.</p><lb/><p>Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller,<lb/>
und von Oſtern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn,<lb/>
Leiſewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt.<lb/>
Er bat ſeinen Vater, ihn noch in Göttingen zu laſſen;<lb/>
und ihm ward vorerſt noch ein halbes Jahr bewilligt.<lb/>
Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches<lb/>
von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freitiſch,<lb/>
(wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freitiſche be¬<lb/>ſtand,) und eine Stelle im philologiſchen Seminarium er¬<lb/>
hielt. Er meldete dieſes ſeinem Vater, und erbot ſich,<lb/>
was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬<lb/>
richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem<lb/>
zufrieden.</p><lb/><p>Wer Hölty zum erſtenmal ſah, hielt ihn nicht leicht<lb/>
für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬<lb/>
bückt, unbehülflich, von trägem Gange, blaſs wie der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Tod,<lb/></fw></p></div></front></text></TEI>
[VIII/0016]
um Theologie zu ſtudiren. Sein Vater beſtimmte ihm
die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und verſorgte
ihn hinlänglich. Auch vergaſs Hölty ſeine Beſtimmung
nicht, ſondern lernte mit groſſer Gewiſſenhaftigkeit
alles, was einem künftigen Prediger nöthig iſt. Indeſs
blieb einem Geiſte, wie der ſeinige war, noch Zeit
genug, ſich mit Leſung der Alten und Neuen, (er las nun
auch Italieniſch,) und mit eigenen Arbeiten zu beſchäf¬
tigen.
Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller,
und von Oſtern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn,
Leiſewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt.
Er bat ſeinen Vater, ihn noch in Göttingen zu laſſen;
und ihm ward vorerſt noch ein halbes Jahr bewilligt.
Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches
von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freitiſch,
(wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freitiſche be¬
ſtand,) und eine Stelle im philologiſchen Seminarium er¬
hielt. Er meldete dieſes ſeinem Vater, und erbot ſich,
was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬
richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem
zufrieden.
Wer Hölty zum erſtenmal ſah, hielt ihn nicht leicht
für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬
bückt, unbehülflich, von trägem Gange, blaſs wie der
Tod,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/16>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.