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Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.

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hervorbringt, ihre schimmernden Farben und ihren Bal¬
sam zieht.

Ausser den Schulstunden ging er gern in ein düsteres
Gehölz, mit Büchern in der Tasche, las für sich mit
lauter und heftiger Stimme, welches noch in Göttingen
seine Gewohnheit bei guten Schriften war, und be¬
trachtete die Schönheiten der Natur. Auch sein Hang
zum Schauerlichen zeigte sich früh. Er besuchte zu jeder
Zeit ohne Furcht den Kirchhof und andre verdächtige
Oerter, und machte selbst Erwachsenen das Grauen
lächerlich; er verkleidete sich als ein Gespenst, und
wankte, bloss zu seinem Vergnügen, ohne die Absicht
zu schrecken, des Abends einsam auf den Gräbern um¬
her. In seinem elften Jahre fing er an, Verse auf den
Tod eines kleinen Hundes, auf das Abc, und was sonst
ihm vorkam, zu machen: womit er aber, wie mit sei¬
nen übrigen Arbeiten und geistlichen Reden, die er vor
seinen Geschwistern und Kameraden vom Schemel hielt,
gegen seinen Vater sehr geheim war. Selbst in der
Kirche fielen ihm Reime ein; und wenn er kein Papier
bei sich hatte, so schrieb er sie an die Wand. Sein
erstes Gedicht, die Grabschrift seines Lieblingshundes,
lautet also:

Alhier auf dieser Stätte
Liegt begraben Nette.
Zu Horst ist er geboren,
Zu Mariensee gestorben,
Dies Grab hat er erworben.
Die

hervorbringt, ihre ſchimmernden Farben und ihren Bal¬
ſam zieht.

Auſſer den Schulſtunden ging er gern in ein düſteres
Gehölz, mit Büchern in der Taſche, las für ſich mit
lauter und heftiger Stimme, welches noch in Göttingen
ſeine Gewohnheit bei guten Schriften war, und be¬
trachtete die Schönheiten der Natur. Auch ſein Hang
zum Schauerlichen zeigte ſich früh. Er beſuchte zu jeder
Zeit ohne Furcht den Kirchhof und andre verdächtige
Oerter, und machte ſelbſt Erwachſenen das Grauen
lächerlich; er verkleidete ſich als ein Geſpenſt, und
wankte, bloſs zu ſeinem Vergnügen, ohne die Abſicht
zu ſchrecken, des Abends einſam auf den Gräbern um¬
her. In ſeinem elften Jahre fing er an, Verſe auf den
Tod eines kleinen Hundes, auf das Abc, und was ſonſt
ihm vorkam, zu machen: womit er aber, wie mit ſei¬
nen übrigen Arbeiten und geiſtlichen Reden, die er vor
ſeinen Geſchwiſtern und Kameraden vom Schemel hielt,
gegen ſeinen Vater ſehr geheim war. Selbſt in der
Kirche fielen ihm Reime ein; und wenn er kein Papier
bei ſich hatte, ſo ſchrieb er ſie an die Wand. Sein
erſtes Gedicht, die Grabſchrift ſeines Lieblingshundes,
lautet alſo:

Alhier auf dieſer Stätte
Liegt begraben Nette.
Zu Horſt iſt er geboren,
Zu Marienſee geſtorben,
Dies Grab hat er erworben.
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[VI/0014] hervorbringt, ihre ſchimmernden Farben und ihren Bal¬ ſam zieht. Auſſer den Schulſtunden ging er gern in ein düſteres Gehölz, mit Büchern in der Taſche, las für ſich mit lauter und heftiger Stimme, welches noch in Göttingen ſeine Gewohnheit bei guten Schriften war, und be¬ trachtete die Schönheiten der Natur. Auch ſein Hang zum Schauerlichen zeigte ſich früh. Er beſuchte zu jeder Zeit ohne Furcht den Kirchhof und andre verdächtige Oerter, und machte ſelbſt Erwachſenen das Grauen lächerlich; er verkleidete ſich als ein Geſpenſt, und wankte, bloſs zu ſeinem Vergnügen, ohne die Abſicht zu ſchrecken, des Abends einſam auf den Gräbern um¬ her. In ſeinem elften Jahre fing er an, Verſe auf den Tod eines kleinen Hundes, auf das Abc, und was ſonſt ihm vorkam, zu machen: womit er aber, wie mit ſei¬ nen übrigen Arbeiten und geiſtlichen Reden, die er vor ſeinen Geſchwiſtern und Kameraden vom Schemel hielt, gegen ſeinen Vater ſehr geheim war. Selbſt in der Kirche fielen ihm Reime ein; und wenn er kein Papier bei ſich hatte, ſo ſchrieb er ſie an die Wand. Sein erſtes Gedicht, die Grabſchrift ſeines Lieblingshundes, lautet alſo: Alhier auf dieſer Stätte Liegt begraben Nette. Zu Horſt iſt er geboren, Zu Marienſee geſtorben, Dies Grab hat er erworben. Die

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Zitationshilfe: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/14>, abgerufen am 24.11.2024.