bösartige Blattern entstellten. Schon frühe zeigte er eine ausserordentliche Munterkeit und Wissbegierde. Sobald er schreiben konnte, schrieb er auf, was ihm aus Erzäh¬ lungen und Gesprächen merkwürdig schien. Er betrug sich liebreich und gefällig gegen jedweden; und die er für rechtschaffen hielt, vertheidigte er bei aller Gelegen¬ heit, wenn etwas zu ihrem Nachtheile gesagt wurde. Auch war er allgemein beliebt, sowohl wegen seiner schönen Gestalt, als wegen seiner drollichten Einfälle und Anmerkungen.
In eben der Woche, da seine Mutter an der Schwindsucht starb, bekam er die bösartigsten Blattern. Der Gram und die Krankheit brachten ihn auf lange Zeit in Gefahr das Gesicht zu verlieren, und raubten ihm seine natürliche Munterkeit. Als er nach zwei Jahren den Gebrauch seiner Augen wieder erlangte, ver¬ doppelte er seinen Eifer und Fleiss im Lernen. Sein Vater, der in Sprachen und Wissenschaften sehr geübt, auch der Dichtkunst nicht abgeneigt, und ein Mitglied der deutschen Gesellschaft in Göttingen war, unterwies ihn, ausser der deutschen, in der lateinischen, französi¬ schen, griechischen und hebräischen Sprache, in der Geografie, Geschichte, und was sonst auf Schulen ge¬ lehrt wird. Sein Fleiss ging so weit, dass er nicht einmal sein Frühstück in Ruhe genoss, dass er sich jedes¬ mal zum Mittags- und Abendessen rufen liess, und des
Nachts
bösartige Blattern entſtellten. Schon frühe zeigte er eine auſſerordentliche Munterkeit und Wiſsbegierde. Sobald er ſchreiben konnte, ſchrieb er auf, was ihm aus Erzäh¬ lungen und Geſprächen merkwürdig ſchien. Er betrug ſich liebreich und gefällig gegen jedweden; und die er für rechtſchaffen hielt, vertheidigte er bei aller Gelegen¬ heit, wenn etwas zu ihrem Nachtheile geſagt wurde. Auch war er allgemein beliebt, ſowohl wegen ſeiner ſchönen Geſtalt, als wegen ſeiner drollichten Einfälle und Anmerkungen.
In eben der Woche, da ſeine Mutter an der Schwindſucht ſtarb, bekam er die bösartigſten Blattern. Der Gram und die Krankheit brachten ihn auf lange Zeit in Gefahr das Geſicht zu verlieren, und raubten ihm ſeine natürliche Munterkeit. Als er nach zwei Jahren den Gebrauch ſeiner Augen wieder erlangte, ver¬ doppelte er ſeinen Eifer und Fleiſs im Lernen. Sein Vater, der in Sprachen und Wiſſenſchaften ſehr geübt, auch der Dichtkunſt nicht abgeneigt, und ein Mitglied der deutſchen Geſellſchaft in Göttingen war, unterwies ihn, auſſer der deutſchen, in der lateiniſchen, franzöſi¬ ſchen, griechiſchen und hebräiſchen Sprache, in der Geografie, Geſchichte, und was ſonſt auf Schulen ge¬ lehrt wird. Sein Fleiſs ging ſo weit, daſs er nicht einmal ſein Frühſtück in Ruhe genoſs, daſs er ſich jedes¬ mal zum Mittags- und Abendeſſen rufen lieſs, und des
Nachts
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[IV/0012]
bösartige Blattern entſtellten. Schon frühe zeigte er eine
auſſerordentliche Munterkeit und Wiſsbegierde. Sobald
er ſchreiben konnte, ſchrieb er auf, was ihm aus Erzäh¬
lungen und Geſprächen merkwürdig ſchien. Er betrug
ſich liebreich und gefällig gegen jedweden; und die er
für rechtſchaffen hielt, vertheidigte er bei aller Gelegen¬
heit, wenn etwas zu ihrem Nachtheile geſagt wurde.
Auch war er allgemein beliebt, ſowohl wegen ſeiner
ſchönen Geſtalt, als wegen ſeiner drollichten Einfälle
und Anmerkungen.
In eben der Woche, da ſeine Mutter an der
Schwindſucht ſtarb, bekam er die bösartigſten Blattern.
Der Gram und die Krankheit brachten ihn auf lange
Zeit in Gefahr das Geſicht zu verlieren, und raubten
ihm ſeine natürliche Munterkeit. Als er nach zwei
Jahren den Gebrauch ſeiner Augen wieder erlangte, ver¬
doppelte er ſeinen Eifer und Fleiſs im Lernen. Sein
Vater, der in Sprachen und Wiſſenſchaften ſehr geübt,
auch der Dichtkunſt nicht abgeneigt, und ein Mitglied
der deutſchen Geſellſchaft in Göttingen war, unterwies
ihn, auſſer der deutſchen, in der lateiniſchen, franzöſi¬
ſchen, griechiſchen und hebräiſchen Sprache, in der
Geografie, Geſchichte, und was ſonſt auf Schulen ge¬
lehrt wird. Sein Fleiſs ging ſo weit, daſs er nicht
einmal ſein Frühſtück in Ruhe genoſs, daſs er ſich jedes¬
mal zum Mittags- und Abendeſſen rufen lieſs, und des
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Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/12>, abgerufen am 16.02.2025.
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