Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

mein Hyperion! ich hab es überwunden; ich hab' es über mich vermocht, das Todesurtheil über mein Herz zu sprechen und dich und mich zu trennen, Liebling meines Lebens! schone mich nun! erspare mir den Abschied! laß uns schnell seyn! komm! -

Mir flog es kalt durch alle Gebeine, da er so begann.

O um deiner Treue willen, Alabanda! rief ich vor ihm niedergeworfen, muß es, muß es denn seyn? Du übertäubtest mich unredlicher weise, du rissest in einen Taumel mich hin. Bruder! nicht so viel Besinnung ließest du mir, um eigentlich zu fragen, wohin gehst du?

Ich darf den Ort nicht nennen, liebes Herz! erwiedert' er; wir sehn vieleicht uns dennoch einmal wieder.

Wiedersehn? erwiedert' ich; so bin ich ja um einen Glauben reicher! und so werd' ich reicher werden und reicher an Glauben und am Ende wird mir alles Glaube seyn.

Lieber! rief er, laß uns still seyn, wo die Worte nichts helfen! laß uns männlich enden! Du verderbst die lezten Augenblike dir.

mein Hyperion! ich hab es überwunden; ich hab’ es über mich vermocht, das Todesurtheil über mein Herz zu sprechen und dich und mich zu trennen, Liebling meines Lebens! schone mich nun! erspare mir den Abschied! laß uns schnell seyn! komm! –

Mir flog es kalt durch alle Gebeine, da er so begann.

O um deiner Treue willen, Alabanda! rief ich vor ihm niedergeworfen, muß es, muß es denn seyn? Du übertäubtest mich unredlicher weise, du rissest in einen Taumel mich hin. Bruder! nicht so viel Besinnung ließest du mir, um eigentlich zu fragen, wohin gehst du?

Ich darf den Ort nicht nennen, liebes Herz! erwiedert’ er; wir sehn vieleicht uns dennoch einmal wieder.

Wiedersehn? erwiedert’ ich; so bin ich ja um einen Glauben reicher! und so werd’ ich reicher werden und reicher an Glauben und am Ende wird mir alles Glaube seyn.

Lieber! rief er, laß uns still seyn, wo die Worte nichts helfen! laß uns männlich enden! Du verderbst die lezten Augenblike dir.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="chapter" n="2">
          <p><pb facs="#f0092"/>
mein Hyperion! ich hab es überwunden; ich hab&#x2019; es über mich vermocht, das Todesurtheil über mein Herz zu sprechen und dich und mich zu trennen, Liebling meines Lebens! schone mich nun! erspare mir den Abschied! laß uns schnell seyn! komm! &#x2013;</p><lb/>
          <p>Mir flog es kalt durch alle Gebeine, da er so begann.</p><lb/>
          <p>O um deiner Treue willen, Alabanda! rief ich vor ihm niedergeworfen, muß es, muß es denn seyn? Du übertäubtest mich unredlicher weise, du rissest in einen Taumel mich hin. Bruder! nicht so viel Besinnung ließest du mir, um eigentlich zu fragen, wohin gehst du?</p><lb/>
          <p>Ich darf den Ort nicht nennen, liebes Herz! erwiedert&#x2019; er; wir sehn vieleicht uns dennoch einmal wieder.</p><lb/>
          <p>Wiedersehn? erwiedert&#x2019; ich; so bin ich ja um einen Glauben reicher! und so werd&#x2019; ich reicher werden und reicher an Glauben und am Ende wird mir alles Glaube seyn.</p><lb/>
          <p>Lieber! rief er, laß uns still seyn, wo die Worte nichts helfen! laß uns männlich enden! Du verderbst die lezten Augenblike dir.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] mein Hyperion! ich hab es überwunden; ich hab’ es über mich vermocht, das Todesurtheil über mein Herz zu sprechen und dich und mich zu trennen, Liebling meines Lebens! schone mich nun! erspare mir den Abschied! laß uns schnell seyn! komm! – Mir flog es kalt durch alle Gebeine, da er so begann. O um deiner Treue willen, Alabanda! rief ich vor ihm niedergeworfen, muß es, muß es denn seyn? Du übertäubtest mich unredlicher weise, du rissest in einen Taumel mich hin. Bruder! nicht so viel Besinnung ließest du mir, um eigentlich zu fragen, wohin gehst du? Ich darf den Ort nicht nennen, liebes Herz! erwiedert’ er; wir sehn vieleicht uns dennoch einmal wieder. Wiedersehn? erwiedert’ ich; so bin ich ja um einen Glauben reicher! und so werd’ ich reicher werden und reicher an Glauben und am Ende wird mir alles Glaube seyn. Lieber! rief er, laß uns still seyn, wo die Worte nichts helfen! laß uns männlich enden! Du verderbst die lezten Augenblike dir.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/92
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/92>, abgerufen am 25.11.2024.