Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.wir küssen Kalaureas Ufer und troknen die Thränen uns ab, und eilen über den Isthmus hinein ans Adriatische Meer, von wo ein sicher Schiff uns weiter bringt. O komm! in den Tiefen der Gebirgswelt wird das Geheimniß unsers Herzens ruhn, wie das Edelgestein im Schacht, im Schoose der himmelragenden Wälder, da wird uns seyn, wie unter den Säulen des innersten Tempels, wo die Götterlosen nicht nahn, und wir werden sizen am Quell, in seinem Spiegel unsre Welt betrachten, den Himmel und Haus und Garten und uns. Oft werden wir in heiterer Nacht im Schatten unsers Obstwalds wandeln und den Gott in uns, den liebenden, belauschen, indeß die Pflanze aus dem Mittagsschlummer ihr gesunken Haupt erhebt und deiner Blumen stilles Leben sich erfrischt, wenn sie im Thau die zarten Arme baden, und die Nachtluft kühlend sie umathmet und durchdringt, und über uns blüht die Wiese des Himmels mit all' ihren funkelnden Blumen und seitwärts ahmt das Mondlicht hinter westlichem Gewölk den Niedergang des Sonnenjünglings, wie aus Liebe schüchtern nach - und dann des Morgens, wenn sich, wie ein Flußbett unser Thal mit warmem Lichte füllt, und still die goldne Fluth durch unsre Bäume rinnt, und unser Haus um- wir küssen Kalaureas Ufer und troknen die Thränen uns ab, und eilen über den Isthmus hinein ans Adriatische Meer, von wo ein sicher Schiff uns weiter bringt. O komm! in den Tiefen der Gebirgswelt wird das Geheimniß unsers Herzens ruhn, wie das Edelgestein im Schacht, im Schoose der himmelragenden Wälder, da wird uns seyn, wie unter den Säulen des innersten Tempels, wo die Götterlosen nicht nahn, und wir werden sizen am Quell, in seinem Spiegel unsre Welt betrachten, den Himmel und Haus und Garten und uns. Oft werden wir in heiterer Nacht im Schatten unsers Obstwalds wandeln und den Gott in uns, den liebenden, belauschen, indeß die Pflanze aus dem Mittagsschlummer ihr gesunken Haupt erhebt und deiner Blumen stilles Leben sich erfrischt, wenn sie im Thau die zarten Arme baden, und die Nachtluft kühlend sie umathmet und durchdringt, und über uns blüht die Wiese des Himmels mit all’ ihren funkelnden Blumen und seitwärts ahmt das Mondlicht hinter westlichem Gewölk den Niedergang des Sonnenjünglings, wie aus Liebe schüchtern nach – und dann des Morgens, wenn sich, wie ein Flußbett unser Thal mit warmem Lichte füllt, und still die goldne Fluth durch unsre Bäume rinnt, und unser Haus um- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0076"/> wir küssen Kalaureas Ufer und troknen die Thränen uns ab, und eilen über den Isthmus hinein ans Adriatische Meer, von wo ein sicher Schiff uns weiter bringt.</p><lb/> <p>O komm! in den Tiefen der Gebirgswelt wird das Geheimniß unsers Herzens ruhn, wie das Edelgestein im Schacht, im Schoose der himmelragenden Wälder, da wird uns seyn, wie unter den Säulen des innersten Tempels, wo die Götterlosen nicht nahn, und wir werden sizen am Quell, in seinem Spiegel unsre Welt betrachten, den Himmel und Haus und Garten und uns. Oft werden wir in heiterer Nacht im Schatten unsers Obstwalds wandeln und den Gott in uns, den liebenden, belauschen, indeß die Pflanze aus dem Mittagsschlummer ihr gesunken Haupt erhebt und deiner Blumen stilles Leben sich erfrischt, wenn sie im Thau die zarten Arme baden, und die Nachtluft kühlend sie umathmet und durchdringt, und über uns blüht die Wiese des Himmels mit all’ ihren funkelnden Blumen und seitwärts ahmt das Mondlicht hinter westlichem Gewölk den Niedergang des Sonnenjünglings, wie aus Liebe schüchtern nach – und dann des Morgens, wenn sich, wie ein Flußbett unser Thal mit warmem Lichte füllt, und still die goldne Fluth durch unsre Bäume rinnt, und unser Haus um- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
wir küssen Kalaureas Ufer und troknen die Thränen uns ab, und eilen über den Isthmus hinein ans Adriatische Meer, von wo ein sicher Schiff uns weiter bringt.
O komm! in den Tiefen der Gebirgswelt wird das Geheimniß unsers Herzens ruhn, wie das Edelgestein im Schacht, im Schoose der himmelragenden Wälder, da wird uns seyn, wie unter den Säulen des innersten Tempels, wo die Götterlosen nicht nahn, und wir werden sizen am Quell, in seinem Spiegel unsre Welt betrachten, den Himmel und Haus und Garten und uns. Oft werden wir in heiterer Nacht im Schatten unsers Obstwalds wandeln und den Gott in uns, den liebenden, belauschen, indeß die Pflanze aus dem Mittagsschlummer ihr gesunken Haupt erhebt und deiner Blumen stilles Leben sich erfrischt, wenn sie im Thau die zarten Arme baden, und die Nachtluft kühlend sie umathmet und durchdringt, und über uns blüht die Wiese des Himmels mit all’ ihren funkelnden Blumen und seitwärts ahmt das Mondlicht hinter westlichem Gewölk den Niedergang des Sonnenjünglings, wie aus Liebe schüchtern nach – und dann des Morgens, wenn sich, wie ein Flußbett unser Thal mit warmem Lichte füllt, und still die goldne Fluth durch unsre Bäume rinnt, und unser Haus um-
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/76>, abgerufen am 16.02.2025. |