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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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diß Erdenrund entbehren, das ist mehr, denn alles, was es geben kann.

Laß uns im Sonnenlicht, o Kind! die Knechtschaft dulden, sagte zu Polyxena die Mutter, und ihre Lebensliebe konnte nicht schöner sprechen. Aber das Sonnenlicht, das eben widerräth die Knechtschaft mir, das läßt mich auf der entwürdigten Erde nicht bleiben und die heiligen Strahlen ziehn, wie Pfade, die zur Heimath führen, mich an.

Seit langer Zeit ist mir die Majestät der schiksaallosen Seele gegenwärtiger, als alles andre gewesen; in herrlicher Einsamkeit hab' ich manchmal in mir selber gelebt; ich bins gewohnt geworden, die Außendinge abzuschütteln, wie Floken von Schnee; wie sollt' ich dann mich scheun, den sogenannten Tod zu suchen? hab' ich nicht tausendmal mich in Gedanken befreit, wie sollt' ich denn anstehn, es Einmal wirklich zu thun? Sind wir denn, wie leibeigene Knechte, an den Boden gefesselt, den wir pflügen? sind wir, wie zahmes Geflügel, das aus dem Hofe nicht laufen darf, weils da gefüttert wird?

Wir sind, wie die jungen Adler, die der Vater aus dem Neste jagt, daß sie im hohen Aether nach Beute suchen.

diß Erdenrund entbehren, das ist mehr, denn alles, was es geben kann.

Laß uns im Sonnenlicht, o Kind! die Knechtschaft dulden, sagte zu Polyxena die Mutter, und ihre Lebensliebe konnte nicht schöner sprechen. Aber das Sonnenlicht, das eben widerräth die Knechtschaft mir, das läßt mich auf der entwürdigten Erde nicht bleiben und die heiligen Strahlen ziehn, wie Pfade, die zur Heimath führen, mich an.

Seit langer Zeit ist mir die Majestät der schiksaallosen Seele gegenwärtiger, als alles andre gewesen; in herrlicher Einsamkeit hab’ ich manchmal in mir selber gelebt; ich bins gewohnt geworden, die Außendinge abzuschütteln, wie Floken von Schnee; wie sollt’ ich dann mich scheun, den sogenannten Tod zu suchen? hab’ ich nicht tausendmal mich in Gedanken befreit, wie sollt’ ich denn anstehn, es Einmal wirklich zu thun? Sind wir denn, wie leibeigene Knechte, an den Boden gefesselt, den wir pflügen? sind wir, wie zahmes Geflügel, das aus dem Hofe nicht laufen darf, weils da gefüttert wird?

Wir sind, wie die jungen Adler, die der Vater aus dem Neste jagt, daß sie im hohen Aether nach Beute suchen.

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[0054] diß Erdenrund entbehren, das ist mehr, denn alles, was es geben kann. Laß uns im Sonnenlicht, o Kind! die Knechtschaft dulden, sagte zu Polyxena die Mutter, und ihre Lebensliebe konnte nicht schöner sprechen. Aber das Sonnenlicht, das eben widerräth die Knechtschaft mir, das läßt mich auf der entwürdigten Erde nicht bleiben und die heiligen Strahlen ziehn, wie Pfade, die zur Heimath führen, mich an. Seit langer Zeit ist mir die Majestät der schiksaallosen Seele gegenwärtiger, als alles andre gewesen; in herrlicher Einsamkeit hab’ ich manchmal in mir selber gelebt; ich bins gewohnt geworden, die Außendinge abzuschütteln, wie Floken von Schnee; wie sollt’ ich dann mich scheun, den sogenannten Tod zu suchen? hab’ ich nicht tausendmal mich in Gedanken befreit, wie sollt’ ich denn anstehn, es Einmal wirklich zu thun? Sind wir denn, wie leibeigene Knechte, an den Boden gefesselt, den wir pflügen? sind wir, wie zahmes Geflügel, das aus dem Hofe nicht laufen darf, weils da gefüttert wird? Wir sind, wie die jungen Adler, die der Vater aus dem Neste jagt, daß sie im hohen Aether nach Beute suchen.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/54>, abgerufen am 22.11.2024.