Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.greift auch immer meine Menschen, wie Göttergebot. O Diotima! so zu sehn, wie von Hoffnungen da die starre Natur erwaicht und all' ihre Pulse mächtiger schlagen und von Entwürfen die verdüsterte Stirne sich entfaltet und glänzt, so da zu stehn in einer Sphäre von Menschen, umrungen von Glauben und Lust, das ist doch mehr, als Erd' und Himmel und Meer in aller ihrer Glorie zu schaun. Dann üb' ich sie in Waffen und Märschen bis um Mittag. Der frohe Muth macht sie gelehrig, wie er zum Meister mich macht. Bald stehn sie dichtgedrängt in macedonischer Reih' und regen den Arm nur, bald fliegen sie, wie Stralen, auseinander zum gewagteren Streit in einzelnen Hauffen, wo die geschmeidige Kraft in jeder Stelle sich ändert und jeder selbst sein Feldherr ist, und sammeln sich wieder in sicherem Punkt - und immer, wo sie gehen und stehn in solchem Waffentanze, schwebt ihnen und mir das Bild der Tyrannenknechte und der ernstere Wahlplaz vor Augen. Drauf, wenn die Sonne heißer scheint, wird Rath gehalten im Innern des Walds und es ist Freude, so mit stillen Sinnen über der großen Zukunft zu walten. Wir nehmen dem Zufall die Kraft, wir meistern das Schiksaal. Wir greift auch immer meine Menschen, wie Göttergebot. O Diotima! so zu sehn, wie von Hoffnungen da die starre Natur erwaicht und all’ ihre Pulse mächtiger schlagen und von Entwürfen die verdüsterte Stirne sich entfaltet und glänzt, so da zu stehn in einer Sphäre von Menschen, umrungen von Glauben und Lust, das ist doch mehr, als Erd’ und Himmel und Meer in aller ihrer Glorie zu schaun. Dann üb’ ich sie in Waffen und Märschen bis um Mittag. Der frohe Muth macht sie gelehrig, wie er zum Meister mich macht. Bald stehn sie dichtgedrängt in macedonischer Reih’ und regen den Arm nur, bald fliegen sie, wie Stralen, auseinander zum gewagteren Streit in einzelnen Hauffen, wo die geschmeidige Kraft in jeder Stelle sich ändert und jeder selbst sein Feldherr ist, und sammeln sich wieder in sicherem Punkt – und immer, wo sie gehen und stehn in solchem Waffentanze, schwebt ihnen und mir das Bild der Tyrannenknechte und der ernstere Wahlplaz vor Augen. Drauf, wenn die Sonne heißer scheint, wird Rath gehalten im Innern des Walds und es ist Freude, so mit stillen Sinnen über der großen Zukunft zu walten. Wir nehmen dem Zufall die Kraft, wir meistern das Schiksaal. Wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0038"/> greift auch immer meine Menschen, wie Göttergebot. O Diotima! so zu sehn, wie von Hoffnungen da die starre Natur erwaicht und all’ ihre Pulse mächtiger schlagen und von Entwürfen die verdüsterte Stirne sich entfaltet und glänzt, so da zu stehn in einer Sphäre von Menschen, umrungen von Glauben und Lust, das ist doch mehr, als Erd’ und Himmel und Meer in aller ihrer Glorie zu schaun.</p><lb/> <p>Dann üb’ ich sie in Waffen und Märschen bis um Mittag. Der frohe Muth macht sie gelehrig, wie er zum Meister mich macht. Bald stehn sie dichtgedrängt in macedonischer Reih’ und regen den Arm nur, bald fliegen sie, wie Stralen, auseinander zum gewagteren Streit in einzelnen Hauffen, wo die geschmeidige Kraft in jeder Stelle sich ändert und jeder selbst sein Feldherr ist, und sammeln sich wieder in sicherem Punkt – und immer, wo sie gehen und stehn in solchem Waffentanze, schwebt ihnen und mir das Bild der Tyrannenknechte und der ernstere Wahlplaz vor Augen.</p><lb/> <p>Drauf, wenn die Sonne heißer scheint, wird Rath gehalten im Innern des Walds und es ist Freude, so mit stillen Sinnen über der großen Zukunft zu walten. Wir nehmen dem Zufall die Kraft, wir meistern das Schiksaal. Wir </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
greift auch immer meine Menschen, wie Göttergebot. O Diotima! so zu sehn, wie von Hoffnungen da die starre Natur erwaicht und all’ ihre Pulse mächtiger schlagen und von Entwürfen die verdüsterte Stirne sich entfaltet und glänzt, so da zu stehn in einer Sphäre von Menschen, umrungen von Glauben und Lust, das ist doch mehr, als Erd’ und Himmel und Meer in aller ihrer Glorie zu schaun.
Dann üb’ ich sie in Waffen und Märschen bis um Mittag. Der frohe Muth macht sie gelehrig, wie er zum Meister mich macht. Bald stehn sie dichtgedrängt in macedonischer Reih’ und regen den Arm nur, bald fliegen sie, wie Stralen, auseinander zum gewagteren Streit in einzelnen Hauffen, wo die geschmeidige Kraft in jeder Stelle sich ändert und jeder selbst sein Feldherr ist, und sammeln sich wieder in sicherem Punkt – und immer, wo sie gehen und stehn in solchem Waffentanze, schwebt ihnen und mir das Bild der Tyrannenknechte und der ernstere Wahlplaz vor Augen.
Drauf, wenn die Sonne heißer scheint, wird Rath gehalten im Innern des Walds und es ist Freude, so mit stillen Sinnen über der großen Zukunft zu walten. Wir nehmen dem Zufall die Kraft, wir meistern das Schiksaal. Wir
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Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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