Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.lokt' er erst sein Haupt gesenkt, warum war der Götterjüngling so voll Sehnens und Trauerns? Sein Genius war zu seelig, um allein zu bleiben, und zu arm die Welt, um ihn zu fassen. O es war ein liebes Bild, gewebt von Größe und Leiden! Aber nun ists anders! mit dem Leiden ists aus! Er hat zu thun bekommen, er ist der Kranke nicht mehr! - Ich war voll Seufzens, da ich anfieng dir zu schreiben, mein Geliebter! Jezt bin ich lauter Freude. So spricht man über dir sich glüklich. Und siehe! so solls auch bleiben. Lebe wohl! Hyperion an Diotima. Wir haben noch zu gutem Ende dein Fest gefeiert, schönes Leben! ehe der Lärm beginnt. Es war ein himmlischer Tag. Das holde Frühjahr weht' und glänzte vom Orient her, entlokt' uns deinen Nahmen, wie es den Bäumen die Blüthen entlokt, und alle seeligen Geheimnisse der Liebe entathmeten mir. Eine Liebe, wie die unsre, war dem Freunde nie erschienen, und es war entzükend, wie der stolze Mensch aufmerkte und Auge und Geist ihm glühte, dein Bild, dein Wesen zu fassen. O, rief er endlich, da ists wohl der Mühe lokt’ er erst sein Haupt gesenkt, warum war der Götterjüngling so voll Sehnens und Trauerns? Sein Genius war zu seelig, um allein zu bleiben, und zu arm die Welt, um ihn zu fassen. O es war ein liebes Bild, gewebt von Größe und Leiden! Aber nun ists anders! mit dem Leiden ists aus! Er hat zu thun bekommen, er ist der Kranke nicht mehr! – Ich war voll Seufzens, da ich anfieng dir zu schreiben, mein Geliebter! Jezt bin ich lauter Freude. So spricht man über dir sich glüklich. Und siehe! so solls auch bleiben. Lebe wohl! Hyperion an Diotima. Wir haben noch zu gutem Ende dein Fest gefeiert, schönes Leben! ehe der Lärm beginnt. Es war ein himmlischer Tag. Das holde Frühjahr weht’ und glänzte vom Orient her, entlokt’ uns deinen Nahmen, wie es den Bäumen die Blüthen entlokt, und alle seeligen Geheimnisse der Liebe entathmeten mir. Eine Liebe, wie die unsre, war dem Freunde nie erschienen, und es war entzükend, wie der stolze Mensch aufmerkte und Auge und Geist ihm glühte, dein Bild, dein Wesen zu fassen. O, rief er endlich, da ists wohl der Mühe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0034"/> lokt’ er erst sein Haupt gesenkt, warum war der Götterjüngling so voll Sehnens und Trauerns? Sein Genius war zu seelig, um allein zu bleiben, und zu arm die Welt, um ihn zu fassen. O es war ein liebes Bild, gewebt von Größe und Leiden! Aber nun ists anders! mit dem Leiden ists aus! Er hat zu thun bekommen, er ist der Kranke nicht mehr! –</p><lb/> <p>Ich war voll Seufzens, da ich anfieng dir zu schreiben, mein Geliebter! Jezt bin ich lauter Freude. So spricht man über dir sich glüklich. Und siehe! so solls auch bleiben. Lebe wohl!</p><lb/> </div><lb/> <div type="chapter" n="2"> <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Diotima</hi>.</head><lb/> <p>Wir haben noch zu gutem Ende dein Fest gefeiert, schönes Leben! ehe der Lärm beginnt. Es war ein himmlischer Tag. Das holde Frühjahr weht’ und glänzte vom Orient her, entlokt’ uns deinen Nahmen, wie es den Bäumen die Blüthen entlokt, und alle seeligen Geheimnisse der Liebe entathmeten mir. Eine Liebe, wie die unsre, war dem Freunde nie erschienen, und es war entzükend, wie der stolze Mensch aufmerkte und Auge und Geist ihm glühte, dein Bild, dein Wesen zu fassen.</p><lb/> <p>O, rief er endlich, da ists wohl der Mühe </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
lokt’ er erst sein Haupt gesenkt, warum war der Götterjüngling so voll Sehnens und Trauerns? Sein Genius war zu seelig, um allein zu bleiben, und zu arm die Welt, um ihn zu fassen. O es war ein liebes Bild, gewebt von Größe und Leiden! Aber nun ists anders! mit dem Leiden ists aus! Er hat zu thun bekommen, er ist der Kranke nicht mehr! –
Ich war voll Seufzens, da ich anfieng dir zu schreiben, mein Geliebter! Jezt bin ich lauter Freude. So spricht man über dir sich glüklich. Und siehe! so solls auch bleiben. Lebe wohl!
Hyperion an Diotima.
Wir haben noch zu gutem Ende dein Fest gefeiert, schönes Leben! ehe der Lärm beginnt. Es war ein himmlischer Tag. Das holde Frühjahr weht’ und glänzte vom Orient her, entlokt’ uns deinen Nahmen, wie es den Bäumen die Blüthen entlokt, und alle seeligen Geheimnisse der Liebe entathmeten mir. Eine Liebe, wie die unsre, war dem Freunde nie erschienen, und es war entzükend, wie der stolze Mensch aufmerkte und Auge und Geist ihm glühte, dein Bild, dein Wesen zu fassen.
O, rief er endlich, da ists wohl der Mühe
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/34>, abgerufen am 16.02.2025. |