Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.Hyperion an Bellarmin. Wir lebten in den lezten schönen Momenten des Jahrs, nach unserer Rükkunft aus dem Attischen Lande. Ein Bruder des Frühlings war uns der Herbst, voll milden Feuers, eine Festzeit für die Erinnerung an Leiden und vergangne Freuden der Liebe. Die welkenden Blätter trugen die Farbe des Abendroths, nur die Fichte und der Lorbeer stand in ewigem Grün. In den heitern Lüften zögerten wandernde Vögel, andere schwärmten im Weinberg, und im Garten und erndteten fröhlich, was die Menschen übrig gelassen. Und das himmlische Licht rann lauter vom offenen Himmel, durch alle Zweige lächelte die heilige Sonne, die gütige, die ich niemals nenne ohne Freude und Dank, die oft in tiefem Laide mit einem Blike mich geheilt, und von dem Unmuth und den Sorgen meine Seele gereinigt. Hyperion an Bellarmin. Wir lebten in den lezten schönen Momenten des Jahrs, nach unserer Rükkunft aus dem Attischen Lande. Ein Bruder des Frühlings war uns der Herbst, voll milden Feuers, eine Festzeit für die Erinnerung an Leiden und vergangne Freuden der Liebe. Die welkenden Blätter trugen die Farbe des Abendroths, nur die Fichte und der Lorbeer stand in ewigem Grün. In den heitern Lüften zögerten wandernde Vögel, andere schwärmten im Weinberg, und im Garten und erndteten fröhlich, was die Menschen übrig gelassen. Und das himmlische Licht rann lauter vom offenen Himmel, durch alle Zweige lächelte die heilige Sonne, die gütige, die ich niemals nenne ohne Freude und Dank, die oft in tiefem Laide mit einem Blike mich geheilt, und von dem Unmuth und den Sorgen meine Seele gereinigt. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003"/> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Bellarmin</hi>.</head><lb/> <p>Wir lebten in den lezten schönen Momenten des Jahrs, nach unserer Rükkunft aus dem Attischen Lande.</p><lb/> <p>Ein Bruder des Frühlings war uns der Herbst, voll milden Feuers, eine Festzeit für die Erinnerung an Leiden und vergangne Freuden der Liebe. Die welkenden Blätter trugen die Farbe des Abendroths, nur die Fichte und der Lorbeer stand in ewigem Grün. In den heitern Lüften zögerten wandernde Vögel, andere schwärmten im Weinberg, und im Garten und erndteten fröhlich, was die Menschen übrig gelassen. Und das himmlische Licht rann lauter vom offenen Himmel, durch alle Zweige lächelte die heilige Sonne, die gütige, die ich niemals nenne ohne Freude und Dank, die oft in tiefem Laide mit einem Blike mich geheilt, und von dem Unmuth und den Sorgen meine Seele gereinigt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
Hyperion an Bellarmin.
Wir lebten in den lezten schönen Momenten des Jahrs, nach unserer Rükkunft aus dem Attischen Lande.
Ein Bruder des Frühlings war uns der Herbst, voll milden Feuers, eine Festzeit für die Erinnerung an Leiden und vergangne Freuden der Liebe. Die welkenden Blätter trugen die Farbe des Abendroths, nur die Fichte und der Lorbeer stand in ewigem Grün. In den heitern Lüften zögerten wandernde Vögel, andere schwärmten im Weinberg, und im Garten und erndteten fröhlich, was die Menschen übrig gelassen. Und das himmlische Licht rann lauter vom offenen Himmel, durch alle Zweige lächelte die heilige Sonne, die gütige, die ich niemals nenne ohne Freude und Dank, die oft in tiefem Laide mit einem Blike mich geheilt, und von dem Unmuth und den Sorgen meine Seele gereinigt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/3 |
Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/3>, abgerufen am 16.02.2025. |