Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.erröthend, festlichlächelnd sank auch sie an meiner Seite nieder. Längst, rief ich, o Natur! ist unser Leben Eines mit dir und himmlischjugendlich, wie du und deine Götter all', ist unsre eigne Welt durch Liebe. In deinen Hainen wandelten wir, fuhr Diotima fort, und waren, wie du, an deinen Quellen saßen wir und waren, wie du, dort über die Berge giengen wir, mit deinen Kindern, den Sternen, wie du. Da wir uns ferne waren, rief ich, da, wie Harfengelispel, unser kommend Entzüken uns erst tönte, da wir uns fanden, da kein Schlaf mehr war und alle Töne in uns erwachten zu des Lebens vollen Akkorden, göttliche Natur! da waren wir immer, wie du, und nun auch da wir scheiden und die Freude stirbt, sind wir, wie du, voll Leidens und doch gut, drum soll ein reiner Mund uns zeugen, daß unsre Liebe heilig ist und ewig, so wie du. Ich zeug es, sprach die Mutter. Wir zeugen es, riefen die andern. Nun war kein Wort mehr für uns übrig. Ich fühlte mein höchstes Herz; ich fühlte mich reif zum Abschied. Jezt will ich fort, ihr Lieben! sagt' ich, und das Leben schwand von
II. Bd. B
erröthend, festlichlächelnd sank auch sie an meiner Seite nieder. Längst, rief ich, o Natur! ist unser Leben Eines mit dir und himmlischjugendlich, wie du und deine Götter all’, ist unsre eigne Welt durch Liebe. In deinen Hainen wandelten wir, fuhr Diotima fort, und waren, wie du, an deinen Quellen saßen wir und waren, wie du, dort über die Berge giengen wir, mit deinen Kindern, den Sternen, wie du. Da wir uns ferne waren, rief ich, da, wie Harfengelispel, unser kommend Entzüken uns erst tönte, da wir uns fanden, da kein Schlaf mehr war und alle Töne in uns erwachten zu des Lebens vollen Akkorden, göttliche Natur! da waren wir immer, wie du, und nun auch da wir scheiden und die Freude stirbt, sind wir, wie du, voll Leidens und doch gut, drum soll ein reiner Mund uns zeugen, daß unsre Liebe heilig ist und ewig, so wie du. Ich zeug es, sprach die Mutter. Wir zeugen es, riefen die andern. Nun war kein Wort mehr für uns übrig. Ich fühlte mein höchstes Herz; ich fühlte mich reif zum Abschied. Jezt will ich fort, ihr Lieben! sagt’ ich, und das Leben schwand von
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erröthend, festlichlächelnd sank auch sie an meiner Seite nieder.
Längst, rief ich, o Natur! ist unser Leben Eines mit dir und himmlischjugendlich, wie du und deine Götter all’, ist unsre eigne Welt durch Liebe.
In deinen Hainen wandelten wir, fuhr Diotima fort, und waren, wie du, an deinen Quellen saßen wir und waren, wie du, dort über die Berge giengen wir, mit deinen Kindern, den Sternen, wie du.
Da wir uns ferne waren, rief ich, da, wie Harfengelispel, unser kommend Entzüken uns erst tönte, da wir uns fanden, da kein Schlaf mehr war und alle Töne in uns erwachten zu des Lebens vollen Akkorden, göttliche Natur! da waren wir immer, wie du, und nun auch da wir scheiden und die Freude stirbt, sind wir, wie du, voll Leidens und doch gut, drum soll ein reiner Mund uns zeugen, daß unsre Liebe heilig ist und ewig, so wie du.
Ich zeug es, sprach die Mutter.
Wir zeugen es, riefen die andern.
Nun war kein Wort mehr für uns übrig. Ich fühlte mein höchstes Herz; ich fühlte mich reif zum Abschied. Jezt will ich fort, ihr Lieben! sagt’ ich, und das Leben schwand von
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/17>, abgerufen am 17.02.2025. |