Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.ste Mittag, den ich kenne. Süße Lüfte wehten und in morgendlicher Frische glänzte noch das Land und still in seinem heimatlichen Aether lächelte das Licht. Die Menschen waren weggegangen, am häuslichen Tische von der Arbeit zu ruhn; allein war meine Liebe mit dem Frühling, und ein unbegreiflich Sehnen war in mir. Diotima, rief ich, wo bist du, o wo bist du? Und mir war, als hört' ich Diotimas Stimme, die Stimme, die mich einst erheitert in den Tagen der Freude - Bei den Meinen, rief sie, bin ich, bei den Deinen, die der irre Menschengeist miskennt! Ein sanfter Schreken ergriff mich und mein Denken entschlummerte in mir. O liebes Wort aus heilgem Munde, rief ich, da ich wieder erwacht war, liebes Räthsel, fass' ich dich? Und Einmal sah' ich noch in die kalte Nacht der Menschen zurük und schauert' und weinte vor Freuden, daß ich so seelig war und Worte sprach ich, wie mir dünkt, aber sie waren, wie des Feuers Rauschen, wenn es auffliegt und die Asche hinter sich läßt - "O du, so dacht' ich, mit deinen Göttern, Natur! ich hab ihn ausgeträumt, von Menschendingen den Traum und sage, nur du ste Mittag, den ich kenne. Süße Lüfte wehten und in morgendlicher Frische glänzte noch das Land und still in seinem heimatlichen Aether lächelte das Licht. Die Menschen waren weggegangen, am häuslichen Tische von der Arbeit zu ruhn; allein war meine Liebe mit dem Frühling, und ein unbegreiflich Sehnen war in mir. Diotima, rief ich, wo bist du, o wo bist du? Und mir war, als hört’ ich Diotimas Stimme, die Stimme, die mich einst erheitert in den Tagen der Freude – Bei den Meinen, rief sie, bin ich, bei den Deinen, die der irre Menschengeist miskennt! Ein sanfter Schreken ergriff mich und mein Denken entschlummerte in mir. O liebes Wort aus heilgem Munde, rief ich, da ich wieder erwacht war, liebes Räthsel, fass’ ich dich? Und Einmal sah’ ich noch in die kalte Nacht der Menschen zurük und schauert’ und weinte vor Freuden, daß ich so seelig war und Worte sprach ich, wie mir dünkt, aber sie waren, wie des Feuers Rauschen, wenn es auffliegt und die Asche hinter sich läßt – „O du, so dacht’ ich, mit deinen Göttern, Natur! ich hab ihn ausgeträumt, von Menschendingen den Traum und sage, nur du <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0122"/> ste Mittag, den ich kenne. Süße Lüfte wehten und in morgendlicher Frische glänzte noch das Land und still in seinem heimatlichen Aether lächelte das Licht. Die Menschen waren weggegangen, am häuslichen Tische von der Arbeit zu ruhn; allein war meine Liebe mit dem Frühling, und ein unbegreiflich Sehnen war in mir. Diotima, rief ich, wo bist du, o wo bist du? Und mir war, als hört’ ich Diotimas Stimme, die Stimme, die mich einst erheitert in den Tagen der Freude –</p><lb/> <p>Bei den Meinen, rief sie, bin ich, bei den Deinen, die der irre Menschengeist miskennt!</p><lb/> <p>Ein sanfter Schreken ergriff mich und mein Denken entschlummerte in mir.</p><lb/> <p>O liebes Wort aus heilgem Munde, rief ich, da ich wieder erwacht war, liebes Räthsel, fass’ ich dich?</p><lb/> <p>Und Einmal sah’ ich noch in die kalte Nacht der Menschen zurük und schauert’ und weinte vor Freuden, daß ich so seelig war und Worte sprach ich, wie mir dünkt, aber sie waren, wie des Feuers Rauschen, wenn es auffliegt und die Asche hinter sich läßt –</p><lb/> <p>„O du, so dacht’ ich, mit deinen Göttern, Natur! ich hab ihn ausgeträumt, von Menschendingen den Traum und sage, nur du </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
ste Mittag, den ich kenne. Süße Lüfte wehten und in morgendlicher Frische glänzte noch das Land und still in seinem heimatlichen Aether lächelte das Licht. Die Menschen waren weggegangen, am häuslichen Tische von der Arbeit zu ruhn; allein war meine Liebe mit dem Frühling, und ein unbegreiflich Sehnen war in mir. Diotima, rief ich, wo bist du, o wo bist du? Und mir war, als hört’ ich Diotimas Stimme, die Stimme, die mich einst erheitert in den Tagen der Freude –
Bei den Meinen, rief sie, bin ich, bei den Deinen, die der irre Menschengeist miskennt!
Ein sanfter Schreken ergriff mich und mein Denken entschlummerte in mir.
O liebes Wort aus heilgem Munde, rief ich, da ich wieder erwacht war, liebes Räthsel, fass’ ich dich?
Und Einmal sah’ ich noch in die kalte Nacht der Menschen zurük und schauert’ und weinte vor Freuden, daß ich so seelig war und Worte sprach ich, wie mir dünkt, aber sie waren, wie des Feuers Rauschen, wenn es auffliegt und die Asche hinter sich läßt –
„O du, so dacht’ ich, mit deinen Göttern, Natur! ich hab ihn ausgeträumt, von Menschendingen den Traum und sage, nur du
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription.
(2019-12-12T13:52:36Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2019-11-13T13:52:36Z)
Weitere Informationen:Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |