Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.Hyperion an Bellarmin. Ich wollte nun aus Deutschland wieder fort. Ich suchte unter diesem Volke nichts mehr, ich war genug gekränkt, von unerbittlichen Belaidigungen, wollte nicht, daß meine Seele vollends unter solchen Menschen sich verblute. Aber der himmlische Frühling hielt mich auf; er war die einzige Freude, die mir übrig war, er war ja meine lezte Liebe, wie konnt' ich noch an andre Dinge denken und das Land verlassen, wo auch er war? Bellarmin! Ich hatt' es nie so ganz erfahren, jenes alte feste Schiksaalswort, daß eine neue Seeligkeit dem Herzen aufgeht, wenn es aushält und die Mitternacht des Grams durchduldet, und daß, wie Nachtigallgesang im Dunkeln, göttlich erst in tiefem Laid das Lebenslied der Welt uns tönt. Denn, wie mit Genien, lebt' ich izt mit den blühenden Bäumen, und die klaren Bäche, die darunter flossen, säußelten, wie Götterstimmen, mir den Kummer aus dem Busen. Und so geschah mir überall, du Lieber! - wenn ich im Grase ruht', und zartes Leben mich umgrünte, wenn ich hinauf, wo wild die Rose um den Steinpfad wuchs, den warmen Hügel gieng, auch wenn ich des Stroms Hyperion an Bellarmin. Ich wollte nun aus Deutschland wieder fort. Ich suchte unter diesem Volke nichts mehr, ich war genug gekränkt, von unerbittlichen Belaidigungen, wollte nicht, daß meine Seele vollends unter solchen Menschen sich verblute. Aber der himmlische Frühling hielt mich auf; er war die einzige Freude, die mir übrig war, er war ja meine lezte Liebe, wie konnt’ ich noch an andre Dinge denken und das Land verlassen, wo auch er war? Bellarmin! Ich hatt’ es nie so ganz erfahren, jenes alte feste Schiksaalswort, daß eine neue Seeligkeit dem Herzen aufgeht, wenn es aushält und die Mitternacht des Grams durchduldet, und daß, wie Nachtigallgesang im Dunkeln, göttlich erst in tiefem Laid das Lebenslied der Welt uns tönt. Denn, wie mit Genien, lebt’ ich izt mit den blühenden Bäumen, und die klaren Bäche, die darunter flossen, säußelten, wie Götterstimmen, mir den Kummer aus dem Busen. Und so geschah mir überall, du Lieber! – wenn ich im Grase ruht’, und zartes Leben mich umgrünte, wenn ich hinauf, wo wild die Rose um den Steinpfad wuchs, den warmen Hügel gieng, auch wenn ich des Stroms <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0119"/> <div type="chapter" n="2"> <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Bellarmin</hi>.</head><lb/> <p>Ich wollte nun aus Deutschland wieder fort. Ich suchte unter diesem Volke nichts mehr, ich war genug gekränkt, von unerbittlichen Belaidigungen, wollte nicht, daß meine Seele vollends unter solchen Menschen sich verblute.</p><lb/> <p>Aber der himmlische Frühling hielt mich auf; er war die einzige Freude, die mir übrig war, er war ja meine lezte Liebe, wie konnt’ ich noch an andre Dinge denken und das Land verlassen, wo auch er war?</p><lb/> <p>Bellarmin! Ich hatt’ es nie so ganz erfahren, jenes alte feste Schiksaalswort, daß eine neue Seeligkeit dem Herzen aufgeht, wenn es aushält und die Mitternacht des Grams durchduldet, und daß, wie Nachtigallgesang im Dunkeln, göttlich erst in tiefem Laid das Lebenslied der Welt uns tönt. Denn, wie mit Genien, lebt’ ich izt mit den blühenden Bäumen, und die klaren Bäche, die darunter flossen, säußelten, wie Götterstimmen, mir den Kummer aus dem Busen. Und so geschah mir überall, du Lieber! – wenn ich im Grase ruht’, und zartes Leben mich umgrünte, wenn ich hinauf, wo wild die Rose um den Steinpfad wuchs, den warmen Hügel gieng, auch wenn ich des Stroms </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
Hyperion an Bellarmin.
Ich wollte nun aus Deutschland wieder fort. Ich suchte unter diesem Volke nichts mehr, ich war genug gekränkt, von unerbittlichen Belaidigungen, wollte nicht, daß meine Seele vollends unter solchen Menschen sich verblute.
Aber der himmlische Frühling hielt mich auf; er war die einzige Freude, die mir übrig war, er war ja meine lezte Liebe, wie konnt’ ich noch an andre Dinge denken und das Land verlassen, wo auch er war?
Bellarmin! Ich hatt’ es nie so ganz erfahren, jenes alte feste Schiksaalswort, daß eine neue Seeligkeit dem Herzen aufgeht, wenn es aushält und die Mitternacht des Grams durchduldet, und daß, wie Nachtigallgesang im Dunkeln, göttlich erst in tiefem Laid das Lebenslied der Welt uns tönt. Denn, wie mit Genien, lebt’ ich izt mit den blühenden Bäumen, und die klaren Bäche, die darunter flossen, säußelten, wie Götterstimmen, mir den Kummer aus dem Busen. Und so geschah mir überall, du Lieber! – wenn ich im Grase ruht’, und zartes Leben mich umgrünte, wenn ich hinauf, wo wild die Rose um den Steinpfad wuchs, den warmen Hügel gieng, auch wenn ich des Stroms
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription.
(2019-12-12T13:52:36Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2019-11-13T13:52:36Z)
Weitere Informationen:Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |