Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.an dem Ufer, meinen Fusssteig zu'r Akropolis hinauf, das sah ich an, und liess es weiter gehn und immer weiter; wie ich aber nun auf's hohe Meer hinauskam, und alles nach und nach hinabsank, wie ein Sarg in's Grab, da mit einmal war es auch, als wäre mein Herz gebrochen - o Himmel! schrie ich, und alles Leben in mir erwacht' und rang, die fliehende Gegenwart zu halten, aber sie war dahin, dahin! Wie ein Nebel, lag das himmlische Land vor mir, wo ich, wie ein Reh auf freier Waide, weit und breit die Thäler und die Höhen hatte durchstreift, und das Echo meines Herzens zu den Quellen und Strömen, in die Fernen und die Tiefen der Erde gebracht. Dort hinein auf den Tmolus war ich gegangen in einsamer Unschuld; dort hinab, wo Ephesus einst stand in seiner glüklichen Jugend und Teos und Milet, dort hinauf in's heilige trauernde Troas war ich mit Alabanda gewandert, mit Alabanda, und, wie ein Gott, hatt' ich geherrscht über ihn, und, wie ein Kind, zärtlich und glaubig, hatt' ich seinem Auge gedient, mit Seelenfreude, mit innigem frohlokkendem Genusse seines Wesens, immer glüklich, wenn ich seinem Rosse den Zaum hielt, oder wenn ich, über mich selbst erhoben, in an dem Ufer, meinen Fusssteig zu’r Akropolis hinauf, das sah ich an, und liess es weiter gehn und immer weiter; wie ich aber nun auf’s hohe Meer hinauskam, und alles nach und nach hinabsank, wie ein Sarg in’s Grab, da mit einmal war es auch, als wäre mein Herz gebrochen – o Himmel! schrie ich, und alles Leben in mir erwacht’ und rang, die fliehende Gegenwart zu halten, aber sie war dahin, dahin! Wie ein Nebel, lag das himmlische Land vor mir, wo ich, wie ein Reh auf freier Waide, weit und breit die Thäler und die Höhen hatte durchstreift, und das Echo meines Herzens zu den Quellen und Strömen, in die Fernen und die Tiefen der Erde gebracht. Dort hinein auf den Tmolus war ich gegangen in einsamer Unschuld; dort hinab, wo Ephesus einst stand in seiner glüklichen Jugend und Teos und Milet, dort hinauf in’s heilige trauernde Troas war ich mit Alabanda gewandert, mit Alabanda, und, wie ein Gott, hatt’ ich geherrscht über ihn, und, wie ein Kind, zärtlich und glaubig, hatt’ ich seinem Auge gedient, mit Seelenfreude, mit innigem frohlokkendem Genusse seines Wesens, immer glüklich, wenn ich seinem Rosse den Zaum hielt, oder wenn ich, über mich selbst erhoben, in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0072"/> an dem Ufer, meinen Fusssteig zu’r Akropolis hinauf, das sah ich an, und liess es weiter gehn und immer weiter; wie ich aber nun auf’s hohe Meer hinauskam, und alles nach und nach hinabsank, wie ein Sarg in’s Grab, da mit einmal war es auch, als wäre mein Herz gebrochen – o Himmel! schrie ich, und alles Leben in mir erwacht’ und rang, die fliehende Gegenwart zu halten, aber sie war dahin, dahin!</p><lb/> <p>Wie ein Nebel, lag das himmlische Land vor mir, wo ich, wie ein Reh auf freier Waide, weit und breit die Thäler und die Höhen hatte durchstreift, und das Echo meines Herzens zu den Quellen und Strömen, in die Fernen und die Tiefen der Erde gebracht.</p><lb/> <p>Dort hinein auf den Tmolus war ich gegangen in einsamer Unschuld; dort hinab, wo Ephesus einst stand in seiner glüklichen Jugend und Teos und Milet, dort hinauf in’s heilige trauernde Troas war ich mit Alabanda gewandert, mit Alabanda, und, wie ein Gott, hatt’ ich geherrscht über ihn, und, wie ein Kind, zärtlich und glaubig, hatt’ ich seinem Auge gedient, mit Seelenfreude, mit innigem frohlokkendem Genusse seines Wesens, immer glüklich, wenn ich seinem Rosse den Zaum hielt, oder wenn ich, über mich selbst erhoben, in </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
an dem Ufer, meinen Fusssteig zu’r Akropolis hinauf, das sah ich an, und liess es weiter gehn und immer weiter; wie ich aber nun auf’s hohe Meer hinauskam, und alles nach und nach hinabsank, wie ein Sarg in’s Grab, da mit einmal war es auch, als wäre mein Herz gebrochen – o Himmel! schrie ich, und alles Leben in mir erwacht’ und rang, die fliehende Gegenwart zu halten, aber sie war dahin, dahin!
Wie ein Nebel, lag das himmlische Land vor mir, wo ich, wie ein Reh auf freier Waide, weit und breit die Thäler und die Höhen hatte durchstreift, und das Echo meines Herzens zu den Quellen und Strömen, in die Fernen und die Tiefen der Erde gebracht.
Dort hinein auf den Tmolus war ich gegangen in einsamer Unschuld; dort hinab, wo Ephesus einst stand in seiner glüklichen Jugend und Teos und Milet, dort hinauf in’s heilige trauernde Troas war ich mit Alabanda gewandert, mit Alabanda, und, wie ein Gott, hatt’ ich geherrscht über ihn, und, wie ein Kind, zärtlich und glaubig, hatt’ ich seinem Auge gedient, mit Seelenfreude, mit innigem frohlokkendem Genusse seines Wesens, immer glüklich, wenn ich seinem Rosse den Zaum hielt, oder wenn ich, über mich selbst erhoben, in
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