Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

die redenden Bilderkasten, wo man Potentaten auf Rossen und Kirchthürme und Märkte seh'n kann.

Ich war es endlich müde, mich wegzuwerfen, Trauben zu suchen in der Wüste und Blumen über dem Eisfeld.

Ich lebte nun entschiedner allein, und der sanfte Geist meiner Jugend war fast ganz aus meiner Seele verschwunden. Die Unheilbarkeit des Jahrhunderts war mir aus so manchem, was ich erzähle und nicht erzähle, sichtbar geworden, und der schöne Trost, in Einer Seele meine Welt zu finden, mein Geschlecht in einem freundlichen Bilde zu umarmen, auch der gebrach mir.

Lieber! was wäre das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, der aus der Kohle springt und verlischt, und wie man bei trüber Jahrszeit einen Windstoss hört, der einen Augenblik saust und dann verhallt, so wär' es mit uns?

Auch die Schwalbe sucht ein freundlicher Land im Winter, es läuft das Wild umher in der Hizze des Tags und seine Augen suchen den Quell. Wer sagt dem Kinde, daß die Mut-

die redenden Bilderkasten, wo man Potentaten auf Rossen und Kirchthürme und Märkte seh’n kann.

Ich war es endlich müde, mich wegzuwerfen, Trauben zu suchen in der Wüste und Blumen über dem Eisfeld.

Ich lebte nun entschiedner allein, und der sanfte Geist meiner Jugend war fast ganz aus meiner Seele verschwunden. Die Unheilbarkeit des Jahrhunderts war mir aus so manchem, was ich erzähle und nicht erzähle, sichtbar geworden, und der schöne Trost, in Einer Seele meine Welt zu finden, mein Geschlecht in einem freundlichen Bilde zu umarmen, auch der gebrach mir.

Lieber! was wäre das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, der aus der Kohle springt und verlischt, und wie man bei trüber Jahrszeit einen Windstoss hört, der einen Augenblik saust und dann verhallt, so wär’ es mit uns?

Auch die Schwalbe sucht ein freundlicher Land im Winter, es läuft das Wild umher in der Hizze des Tags und seine Augen suchen den Quell. Wer sagt dem Kinde, daß die Mut-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="chapter" n="2">
          <p><pb facs="#f0043"/>
die redenden Bilderkasten, wo man Potentaten auf Rossen und Kirchthürme und Märkte seh&#x2019;n kann.</p><lb/>
          <p>Ich war es endlich müde, mich wegzuwerfen, Trauben zu suchen in der Wüste und Blumen über dem Eisfeld.</p><lb/>
          <p>Ich lebte nun entschiedner allein, und der sanfte Geist meiner Jugend war fast ganz aus meiner Seele verschwunden. Die Unheilbarkeit des Jahrhunderts war mir aus so manchem, was ich erzähle und nicht erzähle, sichtbar geworden, und der schöne Trost, in Einer Seele meine Welt zu finden, mein Geschlecht in einem freundlichen Bilde zu umarmen, auch der gebrach mir.</p><lb/>
          <p>Lieber! was wäre das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, der aus der Kohle springt und verlischt, und wie man bei trüber Jahrszeit einen Windstoss hört, der einen Augenblik saust und dann verhallt, so wär&#x2019; es mit uns?</p><lb/>
          <p>Auch die Schwalbe sucht ein freundlicher Land im Winter, es läuft das Wild umher in der Hizze des Tags und seine Augen suchen den Quell. Wer sagt dem Kinde, daß die Mut-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0043] die redenden Bilderkasten, wo man Potentaten auf Rossen und Kirchthürme und Märkte seh’n kann. Ich war es endlich müde, mich wegzuwerfen, Trauben zu suchen in der Wüste und Blumen über dem Eisfeld. Ich lebte nun entschiedner allein, und der sanfte Geist meiner Jugend war fast ganz aus meiner Seele verschwunden. Die Unheilbarkeit des Jahrhunderts war mir aus so manchem, was ich erzähle und nicht erzähle, sichtbar geworden, und der schöne Trost, in Einer Seele meine Welt zu finden, mein Geschlecht in einem freundlichen Bilde zu umarmen, auch der gebrach mir. Lieber! was wäre das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, der aus der Kohle springt und verlischt, und wie man bei trüber Jahrszeit einen Windstoss hört, der einen Augenblik saust und dann verhallt, so wär’ es mit uns? Auch die Schwalbe sucht ein freundlicher Land im Winter, es läuft das Wild umher in der Hizze des Tags und seine Augen suchen den Quell. Wer sagt dem Kinde, daß die Mut-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:56:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:56:08Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/43
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/43>, abgerufen am 23.11.2024.