Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.der sie trug, ich fühlte nur ein Lüftchen in den Lokken, aber ihren Donner hört' ich, wie man die Stimme der Zukunft hört, und ihre Flammen sah ich, wie das ferne Licht der geahneten Gottheit. Ich wandte mich südwärts und gieng weiter. Da lag es offen vor mir, das ganze paradiesische Land, das der Cayster durchströmt, durch so manchen reizenden Umweg, als könnt' er nicht lange genug verweilen in all' dem Reichthum und der Lieblichkeit, die ihn umgiebt. Wie die Zephyre, irrte mein Geist von Schönheit zu Schönheit selig umher, vom fremden friedlichen Dörfchen, das tief unten am Berge lag, bis hinein, wo die Gebirgkette des Messogis dämmert. Ich kam nach Smyrna zurük, wie ein Trunkener vom Gastmahl. Mein Herz war des Wohlgefälligen zu voll, um nicht von seinem Überflusse der Sterblichkeit zu leihen. Ich hatte zu glüklich in mich die Schönheit der Natur erbeutet, um nicht die Lükken des Menschenlebens damit auszufüllen. Mein dürftig Smyrna kleidete sich in die Farben meiner Begeisterung, und stand, wie eine Braut, da. Die geselligen Städter zogen mich an. Der Widersinn in ihren Sitten vergnügte mich, wie eine Kinderposse, und weil ich von Natur hin- der sie trug, ich fühlte nur ein Lüftchen in den Lokken, aber ihren Donner hört’ ich, wie man die Stimme der Zukunft hört, und ihre Flammen sah ich, wie das ferne Licht der geahneten Gottheit. Ich wandte mich südwärts und gieng weiter. Da lag es offen vor mir, das ganze paradiesische Land, das der Cayster durchströmt, durch so manchen reizenden Umweg, als könnt’ er nicht lange genug verweilen in all’ dem Reichthum und der Lieblichkeit, die ihn umgiebt. Wie die Zephyre, irrte mein Geist von Schönheit zu Schönheit selig umher, vom fremden friedlichen Dörfchen, das tief unten am Berge lag, bis hinein, wo die Gebirgkette des Messogis dämmert. Ich kam nach Smyrna zurük, wie ein Trunkener vom Gastmahl. Mein Herz war des Wohlgefälligen zu voll, um nicht von seinem Überflusse der Sterblichkeit zu leihen. Ich hatte zu glüklich in mich die Schönheit der Natur erbeutet, um nicht die Lükken des Menschenlebens damit auszufüllen. Mein dürftig Smyrna kleidete sich in die Farben meiner Begeisterung, und stand, wie eine Braut, da. Die geselligen Städter zogen mich an. Der Widersinn in ihren Sitten vergnügte mich, wie eine Kinderposse, und weil ich von Natur hin- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0040"/> der sie trug, ich fühlte nur ein Lüftchen in den Lokken, aber ihren Donner hört’ ich, wie man die Stimme der Zukunft hört, und ihre Flammen sah ich, wie das ferne Licht der geahneten Gottheit. Ich wandte mich südwärts und gieng weiter. Da lag es offen vor mir, das ganze paradiesische Land, das der Cayster durchströmt, durch so manchen reizenden Umweg, als könnt’ er nicht lange genug verweilen in all’ dem Reichthum und der Lieblichkeit, die ihn umgiebt. Wie die Zephyre, irrte mein Geist von Schönheit zu Schönheit selig umher, vom fremden friedlichen Dörfchen, das tief unten am Berge lag, bis hinein, wo die Gebirgkette des Messogis dämmert.</p><lb/> <p>Ich kam nach Smyrna zurük, wie ein Trunkener vom Gastmahl. Mein Herz war des Wohlgefälligen zu voll, um nicht von seinem Überflusse der Sterblichkeit zu leihen. Ich hatte zu glüklich in mich die Schönheit der Natur erbeutet, um nicht die Lükken des Menschenlebens damit auszufüllen. Mein dürftig Smyrna kleidete sich in die Farben meiner Begeisterung, und stand, wie eine Braut, da. Die geselligen Städter zogen mich an. Der Widersinn in ihren Sitten vergnügte mich, wie eine Kinderposse, und weil ich von Natur hin- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
der sie trug, ich fühlte nur ein Lüftchen in den Lokken, aber ihren Donner hört’ ich, wie man die Stimme der Zukunft hört, und ihre Flammen sah ich, wie das ferne Licht der geahneten Gottheit. Ich wandte mich südwärts und gieng weiter. Da lag es offen vor mir, das ganze paradiesische Land, das der Cayster durchströmt, durch so manchen reizenden Umweg, als könnt’ er nicht lange genug verweilen in all’ dem Reichthum und der Lieblichkeit, die ihn umgiebt. Wie die Zephyre, irrte mein Geist von Schönheit zu Schönheit selig umher, vom fremden friedlichen Dörfchen, das tief unten am Berge lag, bis hinein, wo die Gebirgkette des Messogis dämmert.
Ich kam nach Smyrna zurük, wie ein Trunkener vom Gastmahl. Mein Herz war des Wohlgefälligen zu voll, um nicht von seinem Überflusse der Sterblichkeit zu leihen. Ich hatte zu glüklich in mich die Schönheit der Natur erbeutet, um nicht die Lükken des Menschenlebens damit auszufüllen. Mein dürftig Smyrna kleidete sich in die Farben meiner Begeisterung, und stand, wie eine Braut, da. Die geselligen Städter zogen mich an. Der Widersinn in ihren Sitten vergnügte mich, wie eine Kinderposse, und weil ich von Natur hin-
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/40>, abgerufen am 16.07.2024. |