Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.nannte und der Erde, freundlich Idol meiner Kindheit, du wirst nicht zürnen, dass ich deiner vergass! - Warum ist die Welt nicht dürftig genug, um ausser ihr noch Einen zu suchen?
*) O wenn sie eines Vaters Tochter ist, die herrliche Natur, ist das Herz der Tochter nicht sein Herz? Ihr Innerstes, ist's nicht Er? Aber hab' ich's denn? kenn' ich es denn? Es ist, als säh' ich, aber dann erschrek' ich wieder, als wär' es meine eigne Gestalt, was ich gesehn, es ist, als fühlt' ich ihn, den Geist der Welt, aber ich erwache und meine, ich habe meine eignen Finger gehalten. Hyperion an Bellarmin. Weist du, wie Plato und seine Stella sich liebten? So liebt' ich, so war ich geliebt. O ich war ein glüklicher Knabe! *)
Es ist wohl nicht nöthig, zu erinnern, dass der-
lei Aeusserungen als blosse Phänomene des menschlichen Gemüths von Rechts wegen nie- mand scandalisiren sollten. nannte und der Erde, freundlich Idol meiner Kindheit, du wirst nicht zürnen, dass ich deiner vergass! – Warum ist die Welt nicht dürftig genug, um ausser ihr noch Einen zu suchen?
*) O wenn sie eines Vaters Tochter ist, die herrliche Natur, ist das Herz der Tochter nicht sein Herz? Ihr Innerstes, ist’s nicht Er? Aber hab’ ich’s denn? kenn’ ich es denn? Es ist, als säh’ ich, aber dann erschrek’ ich wieder, als wär’ es meine eigne Gestalt, was ich gesehn, es ist, als fühlt’ ich ihn, den Geist der Welt, aber ich erwache und meine, ich habe meine eignen Finger gehalten. Hyperion an Bellarmin. Weist du, wie Plato und seine Stella sich liebten? So liebt’ ich, so war ich geliebt. O ich war ein glüklicher Knabe! *)
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nannte und der Erde, freundlich Idol meiner Kindheit, du wirst nicht zürnen, dass ich deiner vergass! – Warum ist die Welt nicht dürftig genug, um ausser ihr noch Einen zu suchen? *)
O wenn sie eines Vaters Tochter ist, die herrliche Natur, ist das Herz der Tochter nicht sein Herz? Ihr Innerstes, ist’s nicht Er? Aber hab’ ich’s denn? kenn’ ich es denn?
Es ist, als säh’ ich, aber dann erschrek’ ich wieder, als wär’ es meine eigne Gestalt, was ich gesehn, es ist, als fühlt’ ich ihn, den Geist der Welt, aber ich erwache und meine, ich habe meine eignen Finger gehalten.
Hyperion an Bellarmin.
Weist du, wie Plato und seine Stella sich liebten?
So liebt’ ich, so war ich geliebt. O ich war ein glüklicher Knabe!
*) Es ist wohl nicht nöthig, zu erinnern, dass der-
lei Aeusserungen als blosse Phänomene des
menschlichen Gemüths von Rechts wegen nie-
mand scandalisiren sollten.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/22>, abgerufen am 16.07.2024. |