Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.aus, auf das Feld des Fluchs, dass es, wie sie, im Schweisse des Angesichts sich abarbeite. Aber schön ist auch die Zeit des Erwachens, wenn man nur zur Unzeit uns nicht wekt. O es sind heilige Tage, wo unser Herz zum erstenmale die Schwingen übt, wo wir, voll schnellen feurigen Wachsthums dastehn in der herrlichen Welt, wie die junge Pflanze, wenn sie der Morgensonne sich aufschliesst, und die kleinen Arme dem unendlichen Himmel entgegenstrekt. Wie es mich umhertrieb an den Bergen und am Meeresufer! ach wie ich oft da sass mit klopfendem Herzen, auf den Höhen von Tina, und den Falken und Kranichen nachsah, und den kühnen fröhlichen Schiffen, wenn sie hinunterschwanden am Horizont! Dort hinunter! dacht' ich, dort wanderst du auch einmal hinunter, und mir war, wie einem Schmachtenden, der in's kühlende Bad sich stürzt und die schäumenden Wasser über die Stirne sich schüttet. Seufzend kehrt' ich dann nach meinem Hause wieder um. Wenn nur die Schülerjahre erst vorüber wären, dacht' ich oft. aus, auf das Feld des Fluchs, dass es, wie sie, im Schweisse des Angesichts sich abarbeite. Aber schön ist auch die Zeit des Erwachens, wenn man nur zur Unzeit uns nicht wekt. O es sind heilige Tage, wo unser Herz zum erstenmale die Schwingen übt, wo wir, voll schnellen feurigen Wachsthums dastehn in der herrlichen Welt, wie die junge Pflanze, wenn sie der Morgensonne sich aufschliesst, und die kleinen Arme dem unendlichen Himmel entgegenstrekt. Wie es mich umhertrieb an den Bergen und am Meeresufer! ach wie ich oft da sass mit klopfendem Herzen, auf den Höhen von Tina, und den Falken und Kranichen nachsah, und den kühnen fröhlichen Schiffen, wenn sie hinunterschwanden am Horizont! Dort hinunter! dacht’ ich, dort wanderst du auch einmal hinunter, und mir war, wie einem Schmachtenden, der in’s kühlende Bad sich stürzt und die schäumenden Wasser über die Stirne sich schüttet. Seufzend kehrt’ ich dann nach meinem Hause wieder um. Wenn nur die Schülerjahre erst vorüber wären, dacht’ ich oft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0020"/> aus, auf das Feld des Fluchs, dass es, wie sie, im Schweisse des Angesichts sich abarbeite.</p><lb/> <p>Aber schön ist auch die Zeit des Erwachens, wenn man nur zur Unzeit uns nicht wekt.</p><lb/> <p>O es sind heilige Tage, wo unser Herz zum erstenmale die Schwingen übt, wo wir, voll schnellen feurigen Wachsthums dastehn in der herrlichen Welt, wie die junge Pflanze, wenn sie der Morgensonne sich aufschliesst, und die kleinen Arme dem unendlichen Himmel entgegenstrekt.</p><lb/> <p>Wie es mich umhertrieb an den Bergen und am Meeresufer! ach wie ich oft da sass mit klopfendem Herzen, auf den Höhen von Tina, und den Falken und Kranichen nachsah, und den kühnen fröhlichen Schiffen, wenn sie hinunterschwanden am Horizont! Dort hinunter! dacht’ ich, dort wanderst du auch einmal hinunter, und mir war, wie einem Schmachtenden, der in’s kühlende Bad sich stürzt und die schäumenden Wasser über die Stirne sich schüttet.</p><lb/> <p>Seufzend kehrt’ ich dann nach meinem Hause wieder um. Wenn nur die Schülerjahre erst vorüber wären, dacht’ ich oft.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
aus, auf das Feld des Fluchs, dass es, wie sie, im Schweisse des Angesichts sich abarbeite.
Aber schön ist auch die Zeit des Erwachens, wenn man nur zur Unzeit uns nicht wekt.
O es sind heilige Tage, wo unser Herz zum erstenmale die Schwingen übt, wo wir, voll schnellen feurigen Wachsthums dastehn in der herrlichen Welt, wie die junge Pflanze, wenn sie der Morgensonne sich aufschliesst, und die kleinen Arme dem unendlichen Himmel entgegenstrekt.
Wie es mich umhertrieb an den Bergen und am Meeresufer! ach wie ich oft da sass mit klopfendem Herzen, auf den Höhen von Tina, und den Falken und Kranichen nachsah, und den kühnen fröhlichen Schiffen, wenn sie hinunterschwanden am Horizont! Dort hinunter! dacht’ ich, dort wanderst du auch einmal hinunter, und mir war, wie einem Schmachtenden, der in’s kühlende Bad sich stürzt und die schäumenden Wasser über die Stirne sich schüttet.
Seufzend kehrt’ ich dann nach meinem Hause wieder um. Wenn nur die Schülerjahre erst vorüber wären, dacht’ ich oft.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/20>, abgerufen am 16.02.2025. |