Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.giengst, in die Arme der Natur, der wandellosen, stillen und schönen. Hyperion an Bellarmin. Ich habe nichts, wovon ich sagen möchte, es sey mein eigen. Fern und tod sind meine Geliebten, und ich vernehme durch keine Stimme von ihnen nichts mehr. Mein Geschäft auf Erden ist aus. Ich bin voll Willens an die Arbeit gegangen, habe geblutet darüber, und die Welt um keinen Pfenning reicher gemacht. Ruhmlos und einsam kehr' ich zurük und wandre durch mein Vaterland, das, wie ein Todtengarten, weit umher liegt, und mich erwartet vielleicht das Messer des Jägers, der uns Griechen, wie das Wild des Waldes, sich zur Lust hält. Aber du scheinst noch, Sonne des Himmels! Du grünst noch, heilige Erde! Noch rauschen die Ströme in's Meer, und schattige Bäume säuseln im Mittag. Der Wonnegesang des Frühlings singt meine sterblichen Gedanken in Schlaf. Die Fülle der alllebendigen Welt giengst, in die Arme der Natur, der wandellosen, stillen und schönen. Hyperion an Bellarmin. Ich habe nichts, wovon ich sagen möchte, es sey mein eigen. Fern und tod sind meine Geliebten, und ich vernehme durch keine Stimme von ihnen nichts mehr. Mein Geschäft auf Erden ist aus. Ich bin voll Willens an die Arbeit gegangen, habe geblutet darüber, und die Welt um keinen Pfenning reicher gemacht. Ruhmlos und einsam kehr’ ich zurük und wandre durch mein Vaterland, das, wie ein Todtengarten, weit umher liegt, und mich erwartet vielleicht das Messer des Jägers, der uns Griechen, wie das Wild des Waldes, sich zur Lust hält. Aber du scheinst noch, Sonne des Himmels! Du grünst noch, heilige Erde! Noch rauschen die Ströme in’s Meer, und schattige Bäume säuseln im Mittag. Der Wonnegesang des Frühlings singt meine sterblichen Gedanken in Schlaf. Die Fülle der alllebendigen Welt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0015"/> giengst, in die Arme der Natur, der wandellosen, stillen und schönen.</p><lb/> </div><lb/><lb/> <div type="chapter" n="2"> <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Bellarmin</hi>.</head><lb/> <p>Ich habe nichts, wovon ich sagen möchte, es sey mein eigen.</p><lb/> <p>Fern und tod sind meine Geliebten, und ich vernehme durch keine Stimme von ihnen nichts mehr.</p><lb/> <p>Mein Geschäft auf Erden ist aus. Ich bin voll Willens an die Arbeit gegangen, habe geblutet darüber, und die Welt um keinen Pfenning reicher gemacht.</p><lb/> <p>Ruhmlos und einsam kehr’ ich zurük und wandre durch mein Vaterland, das, wie ein Todtengarten, weit umher liegt, und mich erwartet vielleicht das Messer des Jägers, der uns Griechen, wie das Wild des Waldes, sich zur Lust hält.</p><lb/> <p>Aber du scheinst noch, Sonne des Himmels! Du grünst noch, heilige Erde! Noch rauschen die Ströme in’s Meer, und schattige Bäume säuseln im Mittag. Der Wonnegesang des Frühlings singt meine sterblichen Gedanken in Schlaf. Die Fülle der alllebendigen Welt </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
giengst, in die Arme der Natur, der wandellosen, stillen und schönen.
Hyperion an Bellarmin.
Ich habe nichts, wovon ich sagen möchte, es sey mein eigen.
Fern und tod sind meine Geliebten, und ich vernehme durch keine Stimme von ihnen nichts mehr.
Mein Geschäft auf Erden ist aus. Ich bin voll Willens an die Arbeit gegangen, habe geblutet darüber, und die Welt um keinen Pfenning reicher gemacht.
Ruhmlos und einsam kehr’ ich zurük und wandre durch mein Vaterland, das, wie ein Todtengarten, weit umher liegt, und mich erwartet vielleicht das Messer des Jägers, der uns Griechen, wie das Wild des Waldes, sich zur Lust hält.
Aber du scheinst noch, Sonne des Himmels! Du grünst noch, heilige Erde! Noch rauschen die Ströme in’s Meer, und schattige Bäume säuseln im Mittag. Der Wonnegesang des Frühlings singt meine sterblichen Gedanken in Schlaf. Die Fülle der alllebendigen Welt
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/15>, abgerufen am 16.02.2025. |