Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.Ich fragt' und flehte; aber das schien nur mehr sie zu entfernen, endlich flehte sie, ich möchte nicht mehr fragen, möchte gehn, und wenn ich wiederkäme, von etwas anderm sprechen. Das gab auch mir ein schmerzliches Verstummen, worein ich selbst mich nicht zu finden wusste. Mir war, als hätt' ein unbegreiflich plözlich Schiksaal unsrer Liebe den Tod geschworen, und alles Leben war hin ausser mir und allem. Ich schämte mich freilich dess; ich wusste gewiss, das Ungefähr beherrsche Diotima's Herz nicht. Aber wunderbar blieb sie mir immer, und mein verwöhnter untröstlicher Sinn wollt' immer offenbare gegenwärtige Liebe; verschlossne Schäze waren verlorne Schäze für ihn. Ach! ich hatt' im Glüke die Hoffnung verlernt, ich war noch damals, wie die ungeduldigen Kinder, die um den Apfel am Baume weinen, als wär' er gar nicht da, wenn er ihnen den Mund nicht küsst. Ich hatte keine Ruhe, ich flehte wieder, mit Ungestümm und Demuth, zärtlich und zürnend, mit ihrer ganzen allmächtigen bescheidnen Beredsamkeit rüstete die Liebe mich aus und nun - o meine Diotima! nun hatt' ich es, das reizende Bekenntniss, Ich fragt’ und flehte; aber das schien nur mehr sie zu entfernen, endlich flehte sie, ich möchte nicht mehr fragen, möchte gehn, und wenn ich wiederkäme, von etwas anderm sprechen. Das gab auch mir ein schmerzliches Verstummen, worein ich selbst mich nicht zu finden wusste. Mir war, als hätt’ ein unbegreiflich plözlich Schiksaal unsrer Liebe den Tod geschworen, und alles Leben war hin ausser mir und allem. Ich schämte mich freilich dess; ich wusste gewiss, das Ungefähr beherrsche Diotima’s Herz nicht. Aber wunderbar blieb sie mir immer, und mein verwöhnter untröstlicher Sinn wollt’ immer offenbare gegenwärtige Liebe; verschlossne Schäze waren verlorne Schäze für ihn. Ach! ich hatt’ im Glüke die Hoffnung verlernt, ich war noch damals, wie die ungeduldigen Kinder, die um den Apfel am Baume weinen, als wär’ er gar nicht da, wenn er ihnen den Mund nicht küsst. Ich hatte keine Ruhe, ich flehte wieder, mit Ungestümm und Demuth, zärtlich und zürnend, mit ihrer ganzen allmächtigen bescheidnen Beredsamkeit rüstete die Liebe mich aus und nun – o meine Diotima! nun hatt’ ich es, das reizende Bekenntniss, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0140"/> <p>Ich fragt’ und flehte; aber das schien nur mehr sie zu entfernen, endlich flehte sie, ich möchte nicht mehr fragen, möchte gehn, und wenn ich wiederkäme, von etwas anderm sprechen. Das gab auch mir ein schmerzliches Verstummen, worein ich selbst mich nicht zu finden wusste.</p><lb/> <p>Mir war, als hätt’ ein unbegreiflich plözlich Schiksaal unsrer Liebe den Tod geschworen, und alles Leben war hin ausser mir und allem.</p><lb/> <p>Ich schämte mich freilich dess; ich wusste gewiss, das Ungefähr beherrsche Diotima’s Herz nicht. Aber wunderbar blieb sie mir immer, und mein verwöhnter untröstlicher Sinn wollt’ immer offenbare gegenwärtige Liebe; verschlossne Schäze waren verlorne Schäze für ihn. Ach! ich hatt’ im Glüke die Hoffnung verlernt, ich war noch damals, wie die ungeduldigen Kinder, die um den Apfel am Baume weinen, als wär’ er gar nicht da, wenn er ihnen den Mund nicht küsst. Ich hatte keine Ruhe, ich flehte wieder, mit Ungestümm und Demuth, zärtlich und zürnend, mit ihrer ganzen allmächtigen bescheidnen Beredsamkeit rüstete die Liebe mich aus und nun – o meine Diotima! nun hatt’ ich es, das reizende Bekenntniss, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
Ich fragt’ und flehte; aber das schien nur mehr sie zu entfernen, endlich flehte sie, ich möchte nicht mehr fragen, möchte gehn, und wenn ich wiederkäme, von etwas anderm sprechen. Das gab auch mir ein schmerzliches Verstummen, worein ich selbst mich nicht zu finden wusste.
Mir war, als hätt’ ein unbegreiflich plözlich Schiksaal unsrer Liebe den Tod geschworen, und alles Leben war hin ausser mir und allem.
Ich schämte mich freilich dess; ich wusste gewiss, das Ungefähr beherrsche Diotima’s Herz nicht. Aber wunderbar blieb sie mir immer, und mein verwöhnter untröstlicher Sinn wollt’ immer offenbare gegenwärtige Liebe; verschlossne Schäze waren verlorne Schäze für ihn. Ach! ich hatt’ im Glüke die Hoffnung verlernt, ich war noch damals, wie die ungeduldigen Kinder, die um den Apfel am Baume weinen, als wär’ er gar nicht da, wenn er ihnen den Mund nicht küsst. Ich hatte keine Ruhe, ich flehte wieder, mit Ungestümm und Demuth, zärtlich und zürnend, mit ihrer ganzen allmächtigen bescheidnen Beredsamkeit rüstete die Liebe mich aus und nun – o meine Diotima! nun hatt’ ich es, das reizende Bekenntniss,
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/140>, abgerufen am 16.07.2024. |