Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.Gott! rief sie, wie wird das künftig werden! Das traf mich. Verzeih, Himmlische! sagt' ich; ich gehe. Gute Nacht, Diotima! denke noch mein ein wenig! Das will ich, rief sie, gute Nacht! Und nun kein Wort mehr, Bellarmin! Es wäre zuviel für mein geduldiges Herz. Ich bin erschüttert, wie ich fühle. Aber ich will hinausgehn unter die Pflanzen und Bäume, und unter sie hin mich legen und beten, dass die Natur zu solcher Ruhe mich bringe. Hyperion an Bellarmin. Unsere Seelen lebten nun immer freier und schöner zusammen, und alles in und um uns vereinigte sich zu goldenem Frieden. Es schien, als wäre die alte Welt gestorben und eine neue begönne mit uns, so geistig und kräftig und liebend und leicht war alles geworden, und wir und alle Wesen schwebten, seelig vereint, wie ein Chor von tausend unzertrennlichen Tönen, durch den unendlichen Aether. Unsre Gespräche gleiteten weg, wie ein himmelblau Gewässer, woraus der Goldsand hin und wieder blinkt, und unsre Stille war, wie die Stille der Berggipfel, wo in herrlich einsamer Höhe, hoch über dem Raume der Gewit- Gott! rief sie, wie wird das künftig werden! Das traf mich. Verzeih, Himmlische! sagt’ ich; ich gehe. Gute Nacht, Diotima! denke noch mein ein wenig! Das will ich, rief sie, gute Nacht! Und nun kein Wort mehr, Bellarmin! Es wäre zuviel für mein geduldiges Herz. Ich bin erschüttert, wie ich fühle. Aber ich will hinausgehn unter die Pflanzen und Bäume, und unter sie hin mich legen und beten, dass die Natur zu solcher Ruhe mich bringe. Hyperion an Bellarmin. Unsere Seelen lebten nun immer freier und schöner zusammen, und alles in und um uns vereinigte sich zu goldenem Frieden. Es schien, als wäre die alte Welt gestorben und eine neue begönne mit uns, so geistig und kräftig und liebend und leicht war alles geworden, und wir und alle Wesen schwebten, seelig vereint, wie ein Chor von tausend unzertrennlichen Tönen, durch den unendlichen Aether. Unsre Gespräche gleiteten weg, wie ein himmelblau Gewässer, woraus der Goldsand hin und wieder blinkt, und unsre Stille war, wie die Stille der Berggipfel, wo in herrlich einsamer Höhe, hoch über dem Raume der Gewit- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0138"/> <p>Gott! rief sie, wie wird das künftig werden!</p><lb/> <p>Das traf mich. Verzeih, Himmlische! sagt’ ich; ich gehe. Gute Nacht, Diotima! denke noch mein ein wenig!</p><lb/> <p>Das will ich, rief sie, gute Nacht!</p><lb/> <p>Und nun kein Wort mehr, <hi rendition="#g">Bellarmin!</hi> Es wäre zuviel für mein geduldiges Herz. Ich bin erschüttert, wie ich fühle. Aber ich will hinausgehn unter die Pflanzen und Bäume, und unter sie hin mich legen und beten, dass die Natur zu solcher Ruhe mich bringe.</p><lb/> </div><lb/> <div type="chapter" n="2"> <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Bellarmin</hi>.</head><lb/> <p>Unsere Seelen lebten nun immer freier und schöner zusammen, und alles in und um uns vereinigte sich zu goldenem Frieden. Es schien, als wäre die alte Welt gestorben und eine neue begönne mit uns, so geistig und kräftig und liebend und leicht war alles geworden, und wir und alle Wesen schwebten, seelig vereint, wie ein Chor von tausend unzertrennlichen Tönen, durch den unendlichen Aether.</p><lb/> <p>Unsre Gespräche gleiteten weg, wie ein himmelblau Gewässer, woraus der Goldsand hin und wieder blinkt, und unsre Stille war, wie die Stille der Berggipfel, wo in herrlich einsamer Höhe, hoch über dem Raume der Gewit- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0138]
Gott! rief sie, wie wird das künftig werden!
Das traf mich. Verzeih, Himmlische! sagt’ ich; ich gehe. Gute Nacht, Diotima! denke noch mein ein wenig!
Das will ich, rief sie, gute Nacht!
Und nun kein Wort mehr, Bellarmin! Es wäre zuviel für mein geduldiges Herz. Ich bin erschüttert, wie ich fühle. Aber ich will hinausgehn unter die Pflanzen und Bäume, und unter sie hin mich legen und beten, dass die Natur zu solcher Ruhe mich bringe.
Hyperion an Bellarmin.
Unsere Seelen lebten nun immer freier und schöner zusammen, und alles in und um uns vereinigte sich zu goldenem Frieden. Es schien, als wäre die alte Welt gestorben und eine neue begönne mit uns, so geistig und kräftig und liebend und leicht war alles geworden, und wir und alle Wesen schwebten, seelig vereint, wie ein Chor von tausend unzertrennlichen Tönen, durch den unendlichen Aether.
Unsre Gespräche gleiteten weg, wie ein himmelblau Gewässer, woraus der Goldsand hin und wieder blinkt, und unsre Stille war, wie die Stille der Berggipfel, wo in herrlich einsamer Höhe, hoch über dem Raume der Gewit-
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/138>, abgerufen am 16.07.2024. |