Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

ich nicht und trösten mocht' ich mich auch nicht. Die Hoffnung warf ich weg, wie ein Lahmer, dem die Krüke verlaidet ist; des Weinens schämt' ich mich; ich schämte mich des Daseyns überhaupt. Aber endlich brach denn doch der Stolz in Thränen aus, und das Leiden, das ich gerne verläugnet hätte, wurde mir lieb, und ich legt' es, wie ein Kind, mir an die Brust.

Nein, rief mein Herz, nein, meine Diotima! es schmerzt nicht. Bewahre du dir deinen Frieden und lass mich meinen Gang gehn. Lass dich in deiner Ruhe nicht stören, holder Stern! wenn unter dir es gährt und trüb ist.

O lass dir deine Rose nicht blaichen, seelige Götterjugend! Lass in den Kümmernissen der Erde deine Schöne nicht altern. Das ist ja meine Freude, süsses Leben! dass du in dir den sorgenfreien Himmel trägst. Du sollst nicht dürftig werden, nein, nein! du sollst in dir die Armuth der Liebe nicht sehn.

Und wenn ich dann wieder zu ihr hinabgieng - ich hätte das Lüftchen fragen mögen und dem Zuge der Wolken es ansehn, wie es mit mir seyn werde in einer Stunde! und wie es mich freute, wenn irgend ein freundlich Gesicht mir auf dem Wege begegnete, und nur

ich nicht und trösten mocht’ ich mich auch nicht. Die Hoffnung warf ich weg, wie ein Lahmer, dem die Krüke verlaidet ist; des Weinens schämt’ ich mich; ich schämte mich des Daseyns überhaupt. Aber endlich brach denn doch der Stolz in Thränen aus, und das Leiden, das ich gerne verläugnet hätte, wurde mir lieb, und ich legt’ es, wie ein Kind, mir an die Brust.

Nein, rief mein Herz, nein, meine Diotima! es schmerzt nicht. Bewahre du dir deinen Frieden und lass mich meinen Gang gehn. Lass dich in deiner Ruhe nicht stören, holder Stern! wenn unter dir es gährt und trüb ist.

O lass dir deine Rose nicht blaichen, seelige Götterjugend! Lass in den Kümmernissen der Erde deine Schöne nicht altern. Das ist ja meine Freude, süsses Leben! dass du in dir den sorgenfreien Himmel trägst. Du sollst nicht dürftig werden, nein, nein! du sollst in dir die Armuth der Liebe nicht sehn.

Und wenn ich dann wieder zu ihr hinabgieng – ich hätte das Lüftchen fragen mögen und dem Zuge der Wolken es ansehn, wie es mit mir seyn werde in einer Stunde! und wie es mich freute, wenn irgend ein freundlich Gesicht mir auf dem Wege begegnete, und nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="chapter" n="2">
          <p><pb facs="#f0121"/>
ich nicht und trösten mocht&#x2019; ich mich auch nicht. Die Hoffnung warf ich weg, wie ein Lahmer, dem die Krüke verlaidet ist; des Weinens schämt&#x2019; ich mich; ich schämte mich des Daseyns überhaupt. Aber endlich brach denn doch der Stolz in Thränen aus, und das Leiden, das ich gerne verläugnet hätte, wurde mir lieb, und ich legt&#x2019; es, wie ein Kind, mir an die Brust.</p><lb/>
          <p>Nein, rief mein Herz, nein, meine Diotima! es schmerzt nicht. Bewahre du dir deinen Frieden und lass mich meinen Gang gehn. Lass dich in deiner Ruhe nicht stören, holder Stern! wenn unter dir es gährt und trüb ist.</p><lb/>
          <p>O lass dir deine Rose nicht blaichen, seelige Götterjugend! Lass in den Kümmernissen der Erde deine Schöne nicht altern. Das ist ja meine Freude, süsses Leben! dass du in dir den sorgenfreien Himmel trägst. Du sollst nicht dürftig werden, nein, nein! du sollst in dir die Armuth der Liebe nicht sehn.</p><lb/>
          <p>Und wenn ich dann wieder zu ihr hinabgieng &#x2013; ich hätte das Lüftchen fragen mögen und dem Zuge der Wolken es ansehn, wie es mit mir seyn werde in einer Stunde! und wie es mich freute, wenn irgend ein freundlich Gesicht mir auf dem Wege begegnete, und nur
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] ich nicht und trösten mocht’ ich mich auch nicht. Die Hoffnung warf ich weg, wie ein Lahmer, dem die Krüke verlaidet ist; des Weinens schämt’ ich mich; ich schämte mich des Daseyns überhaupt. Aber endlich brach denn doch der Stolz in Thränen aus, und das Leiden, das ich gerne verläugnet hätte, wurde mir lieb, und ich legt’ es, wie ein Kind, mir an die Brust. Nein, rief mein Herz, nein, meine Diotima! es schmerzt nicht. Bewahre du dir deinen Frieden und lass mich meinen Gang gehn. Lass dich in deiner Ruhe nicht stören, holder Stern! wenn unter dir es gährt und trüb ist. O lass dir deine Rose nicht blaichen, seelige Götterjugend! Lass in den Kümmernissen der Erde deine Schöne nicht altern. Das ist ja meine Freude, süsses Leben! dass du in dir den sorgenfreien Himmel trägst. Du sollst nicht dürftig werden, nein, nein! du sollst in dir die Armuth der Liebe nicht sehn. Und wenn ich dann wieder zu ihr hinabgieng – ich hätte das Lüftchen fragen mögen und dem Zuge der Wolken es ansehn, wie es mit mir seyn werde in einer Stunde! und wie es mich freute, wenn irgend ein freundlich Gesicht mir auf dem Wege begegnete, und nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:56:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:56:08Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/121
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/121>, abgerufen am 23.11.2024.