Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.O ich wär' ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr! Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr' ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen. Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags. Ach! gäb' es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb' es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken! Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt. Mein Herz ist nicht so glüklich. Hyperion an Bellarmin. Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst' ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich O ich wär’ ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr! Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr’ ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen. Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags. Ach! gäb’ es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb’ es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken! Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt. Mein Herz ist nicht so glüklich. Hyperion an Bellarmin. Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst’ ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0111"/> <p>O ich wär’ ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr!</p><lb/> <p>Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr’ ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen.</p><lb/> <p>Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags.</p><lb/> <p>Ach! gäb’ es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb’ es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken!</p><lb/> <p>Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt.</p><lb/> <p>Mein Herz ist nicht so glüklich.</p><lb/> </div><lb/> <div type="chapter" n="2"> <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Bellarmin</hi>.</head><lb/> <p>Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst’ ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
O ich wär’ ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr!
Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr’ ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen.
Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags.
Ach! gäb’ es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb’ es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken!
Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt.
Mein Herz ist nicht so glüklich.
Hyperion an Bellarmin.
Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst’ ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/111>, abgerufen am 16.07.2024. |